Pferde
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Komme ! Zu Pferde ! Komme in Sonne und Luft.
Lass die Reitbahn mit Staub, Ecken und Enge den engeren Menschen. Komme auf freie, ewige Bahn, wo jungfräuliches Gras im Tau steht, Schatten des Laubes über deinen Weg tanzen, wo das Licht dich liebkost, wo der Wind dich umspielt, wo es keine Grenzen gibt, wo dein Herz weit wird und in das Grenzenlose seiner Herrschaft einreitet.
Denn dies, Geliebte, ist meine Verheissung:
Deines Pferdes Rücken unterwirft dir die Welt.
Zu einem Thron für dich will ich ihn machen, von dem du ein Zepter der Macht, der Freude und der Freiheit führen sollst, wie du es nie geahnt.
Draussen nur- wenn du liebst- trägt dein Pferd dich recht. Draussen nur, unter freiem Himmel, ist es ganz königlich, ist es ganz Tier. Draussen nur ist es wirklich beschwingt. Nur wenn es dir draussen gehorcht, gehorcht es dir ganz.
Draussen nur fühlt es ganz seine Macht, fühlst auch du ganz seine Macht, herrschst du über das ganze befreite Mass seiner Kraft.
Ewig durch Ecken gebrochene Bahn, in kleine und kleinere Kreise geengte Gänge, genagelte Rampen und Schranken, himmelverhüllendes Dach- taugt das für Liebende ?
Hohe Schule- nun wohl. Aber die höchste Schulung:
willst du sie missen ?
Nur der Himmel, Geliebte, ist gross genug, dein Zelt zu sein wenn du reitest.
Höre nun, da dich das Pferd trägt, nicht so sehr auf mein Wort als auf das Pferd. Das Pferd ist der beste Reitlehrer. Es ist der Meister der straft und belohnt: er verschliesst sich dir, wenn du auf andere Lehren hörst als die seinen.
Lerne vom Pferde. Reiten ist erst dann eine wahre Freude, wenn du durch eine lange Schule der Geduld, der Feinfühligkeit und der Energie gegangen bist, die dir das Pferd erteilt.
Lies nicht in Reitvorschriften und lerne nicht von Bereitern. Sie verstehen nicht mehr als ihr Handwerk. Reiten ist aber kein Handwerk sondern eine Kunst. Reitvorschriften gewöhnlicher Art sind wie Klavierschulen; sie lehren das Reiten als eine Fertigkeit die man erlernen kann: wie das Nähen und Strümpfestopfen.
Horche in dein Pferd hinein wie in ein kostbares Instrument: wie Ellen Ney in ihren Flügel, wie Busch in seine Geige, wie Barjanski in sein Cello.
Das wird dich seltsame Dinge lehren, von denen keine Reitschule, kein Reitlehrer etwas weiss.
Alle Moral, die dir dein Reitlehrer predigt, kann das süsse, zarte Geplauder deines Pferdes nicht ersetzen, wenn es an einem schönen Sommermorgen die ersten Tritte unter dir ins Freie tut, mit fühlenden Lippen vom Gebiss aus am Zügel entlang deine Hand sucht, sie leise erkundet und befragt; wenn es dann neugierig und prüfend mit der feinen Stahlstange in seinem Maule spielt, sie mutwillig ein wenig fortstösst, sich versuchend ein wenig gegenlehnt, um sie dann mit langem Hals, mit aufgerichtetem Genick, freiem Kopf und zartem Zungenspiel aus deiner Hand entgegenzunehmen, wie ein ihm zugedachtes Geschenk, auf das es stolz sein darf. Dann ist dein Pferd glücklich.
Dem Geist der Schwere sollst du feind sein. Das macht dich dem Pferde leicht. Wenn dein Herz leicht ist, ist es auch deine Hand. Wenn dein Herz leicht ist, treibt es dich vorwärts.
Die Schwermütigen, Schwerbeherzten treibt nichts vorwärts.
Vorwärts aber ist alles.
Wenn sich dein Pferd widersetzt ist`s aus dem Geist des Stillstands, des Zurück.
Wenn du das sich widersetzende Pferd vorwärts zu treiben vermagst- lasse nicht ab es zu tun- hast du halb gewonnen. Denn es muss einen Teil seiner Kraft auf das Vorwärts verwenden das du ihm abverlangst, und nur der andere Teil bleibt ihm zum Widerstand. Bocken und Schlagen, Steigen und Sich-nieder-werfen-wollen sind leicht zu überwinden in der Bewegung nach vorwärts, sind unüberwindlich auf der Stelle.
Niemand als das sich widersetzende Pferd lehrt besser dass Vorwärts alles ist.
Nimm dich in acht: das Pferd errät dich, dich und deine geheimsten Gedanken. Wenn du nicht gesonnen bist über es zu herrschen, wird es dir nicht gehorchen; wenn du nicht willens bist stärker zu sein, wird sich die ungeheure Kraft des Tieres auflehnen gegen dich.
Dein Zuruf, dein Zungenschlag, dein Sporn, deine Peitsche sollen nicht lügen, du wollest dies und das, und du willst es doch nur halb. Dein Pferd straft dich Lügen.
Wenn du ihm nicht vertraust, wird es dir nicht vertrauen, wenn du schwankend wirst, wird es eigene Wege gehen. Wenn du erschreckst, wird es erschrecken, aber es wird mutig und guter Dinge sein, wenn du mutig und guter Dinge bist.
Wenn du ohne Schwung bist, wird es schwunglos sein; wenn du fliegen möchtest, wird es fliegen: kaum das die Hufe die Erde zu berühren scheinen. Ein schwebendes Gebilde aus lebendigem Stahl scheint dich zu tragen. Lässt du dich aber zur Erde ziehn im Geist und im Wollen, so kriecht ein müder Wurm unter dir im Staube.
Dein Pferd weiss um dich, es weiss, ob du gut geschlafen hast zur Nacht, ob du zerstreut oder gesammelt, ob du fröhlich oder traurig, ob du vertrauend oder in Zweifeln, ob du ans Reiten denkst oder ans Frühstück.
Wer die Erde verachtet, wer die Ferne nicht liebt, wer kleinlich und pedantisch ist, wer Winkelzüge macht, wer unklaren Geistes ist, wer zweifelt, wer verneint, reitet schlecht.
Wer geradeaus will, wer das Leben sucht, wer die Ferne liebt, wer Gebieter seiner selbst, wer gefasst ist und in sich gesammelt, wer sich vertraut und klaren Geistes ist, mag gut reiten.
Reiten ist ein unaufhörliches Jasagen und gerade dann, wenn du deinem Pferde etwas zu versagen scheinst.
Dich trägt das symphatischste gefühlvollste Tier der Schöpfung. Wisse das.
...
Rudolph G. Binding, 1926