Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »NotierehiereinschönesGedicht«
johnny schrieb am 26.1. 2002 um 23:33:05 Uhr zu
Bewertung: 4 Punkt(e)
Die Ballade von den Vogelfreien
Autor: François Villon
Klaus Kinski rezitierte die Ballade unter dem Titel Verehrt und angespien
Vor vollen Schüsseln muss ich Hungers sterben,
am heissen Ofen frier ich mich zu Tod,
wohin ich greife fallen nichts als Scherben,
bis zu den Zähnen geht mir schon der Kot.
Und wenn ich lache, habe ich geweint,
und wenn ich weine, bin ich froh,
dass mir zuweilen auch die Sonne scheint,
als könnte ich im Leben ebenso
zerknirscht wie in der Kirche niederknien...
ich, überall verehrt und angespien.
Nichts scheint mir sichrer als das nie Gewisse,
nichts sonnenklarer als die schwarze Nacht.
Nur das ist mein, was ich betrübt vermisse,
und was ich liebte, hab ich umgebracht.
Selbst wenn ich denk, dass ich schon gestern war,
bin ich erst heute abend zugereist.
Von meinem Schädel ist das letzte Haar
zu einem blanken Mond vereist.
Ich habe kaum ein Feigenblatt, es anzuziehn...
ich, überall verehrt und angespien.
Ich habe dennoch soviel Mut zu hoffen,
dass mir sehr bald die ganze Welt gehört,
und stehn mir wirklich alle Türen offen,
schlag ich sie wieder zu, weil es mich stört,
dass ich aus goldnen Schüsseln fressen soll.
Die Würmer sind schon toll nach meinem Bauch,
ich bin mit Unglück bis zum Halse voll
und bleibe unter dem Holunderstrauch,
auf den noch nie ein Stern herunterschien,
François Villon, verehrt und angespien.
Ben schrieb am 22.1. 2002 um 16:33:50 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Die dicke Margot
Da regen sich die Menschen auf, weil ich
mit einem Mädchen geh, das sich vom Strich
ernährt und meine Wenigkeit dazu.
Ich aber hab die Kleine doch so schrecklich gern,
ich bürste ihr die Kleider, putz ihr auch die Schuh,
damit die Offiziers und Kammerherrn
sich wie im Himmel fühlen,
in dem Kabuff, in dem wir beide wohnen.
Ich bleibe immer vornehm und diskret
und warte, bis die Kundschaft wieder geht,
und zähle schnell die Taler nach,
und wenn es weniger sind,
als der geehrte Herr versprach,
dann gibt es leider etwas Wind
in dem Kabuff, in dem wir beide wohnen.
Mitunter nage ich auch an dem Hungertuch
bei meinem schwarzen Schwan, wenn der Besuch
ins Stocken kam.
Mein Gott, die schönste Huld
hört auf und macht den Menschen weniger zahm,
der Teufel hole die Geduld.
Und so läuft mir die Galle eben über
in dem Kabuff, in dem wir beide wohnen.
Dann hat mich die Margot so lieb wie nie
und schnurrt und putzt sich wie ein Katzenvieh:
»Sei wieder nett zu mir und gut!«
Und ich bin auch kein hölzernes Gestell,
das gibt uns beiden einen frischen Mut.
Bald ist es wieder flott, das Karussell,
und dreht die kunterbuntesten Figuren
in dem Kabuff, in dem wir beide wohnen.
Anhängsel zur freundlichen Aufmunterung:
Sehnt ihr in dieser tristen Zeit euch sterbenskrank
nach einer warmen, weichen Ruhebank,
dann, meine Herren, seid ihr uns willkommen
in dem Kabuff, in dem wir beide wohnen.
Höflichkeitsliga schrieb am 16.7. 2002 um 20:37:46 Uhr zu
Bewertung: 5 Punkt(e)
dichten bis zum weltgericht
bis das die letzte zeile bricht
geschafft hat das noch niemand nicht!
Schreibakteur schrieb am 27.2. 2011 um 16:30:15 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Dieses Gedicht, es ist so schön,
nie hat man schöneres geseh'n!
Wer das bezweifelt, das ist klar,
noch nie ein Freund des Schönen war.
Nun mag man mir hier widersprechen,
mag sagen, es reize gar zum Brechen,
weil selbst das Versmaß ich nicht halte,
und dann auch noch beim Reimen ich versage.
Doch wer dies sagt, der hat nur nicht
verstanden dieses Kunst-Gedicht.
Denn jeder Fehler, das ist klar,
in Wahrheit beabsichtigt war.
Wer mir's nicht glaubt, ist selber schuld.
Wer sagt, mir fehle die Geduld,
hier ordentlich was hinzureimen
und das Versmaß einzuhalten,
der mag zwar glauben, er hat recht,
doch reime ich nur deshalb schlecht,
weil ich es gar nicht besser kann,
ich meinte natürlich: obwohl ich's besser kann,
weil doch das Brechen aller Regeln
Kunst ist, oder etwa nicht?
Wer sagt, Gedichte müssten schön sein,
das Versmaß einhalten,
oder auch nur gleichlange Strophen enthalten?
Ich erkläre hiermit,
dass mein Gedicht große Kunst ist.
Und ob ich es besser könnte,
ist ohnehin unerheblich,
weil
das Gedicht ohnehin
für sich
steht.
Und damit es auch wirklich
kunst ist,
breche ich hiirmitt auch nochh
di Reggeln der Rächtschribung.
Und wehe, es sagt jetzt jemand,
das hier sei keine Kunst.
Dann räche ich mich nämlich
mit noch so einem grauenhaften Gedicht!
Und das will hier wohl keiner, oder?
Na also.
Duckman schrieb am 22.1. 2002 um 00:32:46 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
das einzige schöne gedicht, dass ich kenne:
Slough
====== John Betjeman
Come, friendly bombs, and fall on Slough
It isn't fit for humans now,
There isn't grass to graze a cow
Swarm over, Death!
Come, bombs, and blow to smithereens
Those air-conditioned bright canteens,
Tinned fruit, tinned meat, tinned milk, tinned beans
Tinned minds, tinned breath.
Mess up the mess they call a town --
A house for ninety-seven down
And once a week for half-a-crown For twenty years,
And get that man with double chin
Who'll always cheat and always win,
Who washes his repulsive skin
In women's tears,
And smash his desk of polished oak
And smash his hands so used to stroke
And stop his boring dirty joke
And make him yell.
But spare the bald young clerks who add
The profits of the stinking cad;
It's not their fault that they are mad,
They've tasted Hell.
It's not their fault they do not know
The birdsong from the radio,
It's not their fault they often go
To Maidenhead
And talk of sports and makes of cars
In various bogus Tudor bars
And daren't look up and see the stars
But belch instead.
In labour-saving homes, with care
Their wives frizz out peroxide hair
And dry it in synthetic air
And paint their nails.
Come, friendly bombs, and fall on Slough
To get it ready for the plough.
The cabbages are coming now;
The earth exhales.
´lobi schrieb am 27.2. 2002 um 10:11:54 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Das Hohelied
Des Weibes Leib ist ein Gedicht,
Das Gott der Herr geschrieben
Ins große Stammbuch der Natur,
Als ihn der Geist getrieben.
Ja, günstig war die Stunde ihm,
Der Gott war hochbegeistert;
Er hat den spröden, rebellischen Stoff
Ganz künstlerisch bemeistert.
Fürwahr, der Leib des Weibes ist
Das Hohelied der Lieder;
Gar wunderbare Strophen sind
Die schlanken, weißen Glieder.
O welche göttliche Idee
Ist dieser Hals, der blanke,
Worauf sich wiegt der kleine Kopf,
Der lockige Hauptgedanke!
Der Brüstchen Rosenknospen sind
Epigrammatisch gefeilet;
Unsäglich entzückend ist die Zäsur,
Die streng den Busen teilet.
Den plastischen Schöpfer offenbart
Der Hüften Parallele;
Der Zwischensatz mit dem Feigenblatt
Ist auch eine schöne Stelle.
Das ist kein abstraktes Begriffspoem!
Das Lied hat Fleisch und Rippen,
Hat Hand und Fuß; es lacht und küßt
Mit schöngereimten Lippen.
Hier atmet wahre Poesie!
Anmut in jeder Wendung!
Und auf der Stirne trägt das Lied
Den Stempel der Vollendung.
Lobsingen will ich dir, O Herr,
Und dich im Staub anbeten!
Wir sind nur Stümper gegen dich,
Den himmlischen Poeten.
Versenken will ich mich, o Herr,
In deines Liedes Prächten;
Ich widme seinem Studium
Den Tag mitsamt den Nächten.
Ja, Tag und Nacht studier ich dran,
Will keine Zeit verlieren;
Die Beine werden mir so dünn -
Das kommt vom vielen Studieren.
Heinrich Heine