Feyerabend
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»Gestern schickte mir wer einen Ausschnitt aus einem neuen Lexikon, da steht über mich, daß ich zuerst Popper folgte und dann von ihm abfiel. Das war die Summe meines Lebens -er folgt einem Esel, er hört auf, ihm zu folgen. Was Wunder, daß ich keine Interviews geben will und nicht auf dem Fernseher erscheinen will, denn da will man mich ja immer im Hinblick auf diese Summe untersuchen und niemand interessiert sich für meinen Stuhlgang, zum Beispiel, der mir doch viel wichtiger ist.«
(Paul Feyerabend) [ 1 ]
"Was den Anarchismus betrifft:
Ich glaube, ich sollte mich eher einen Dadaisten nennen. Dadaismus und Anarchismus sind fast identisch - mit der Ausnahme, daß der Dadaist nie einer Fliege etwas zuleide tun würde (außer die Fliege bittet ihn darum). Daher suche ich im Augenblick nach dem der Duchampschen Klosettmuschel in der Wissenschaft entsprechenden Gegenstand." Paul Feyerabend [ 2 ]
Paul Feyerabend war wohl das, was man »kynisch« nennt.
»Ein Querulant im Wissenschaftsbetrieb, ein trotz seiner Berühmtheit machtlos Gebliebener. Eine auf den ersten Blick vielleicht tragisch anmutende Autorität, die zeitlebens dazu verdammt war, sich selbst zu untergraben, gäbe es da nicht die schmunzelnde Gebärde der «Fröhlichen Wissenschaften», den Dadaisten Feyerabend, der diesen innersten Widerspruch auszuhalten, zu leben und immer wieder spielerisch zu inszenieren verstand. Dabei basierte seine radikale Wissenschaftskritik durchaus auf historischen Beobachtungen, die er jedoch im Unterschied zu seinem großen Lehrer Karl Popper gegen den Strich des rationalen, aufklärerischen Diskurses deutete.« [ 3 ]
Regelverletzungen sind produktiv
Feyerabend wies nicht nur darauf hin, daß der Rationalismus seinen eigenen Normen oft nicht genügt - für ihn war dieses Fehlen symptomatisch. Denn erstens, so seine Überzeugung, sind Regelverletzungen produktiv, ist Anarchismus in der Wissenschaft nicht Störprogramm, sondern Entwicklung. Und zweitens ist unsere Auffassung von der Wissenschaft lediglich eine »Tradition«. Die Wissenschaft ist nicht »neutral«, und sie funktioniert nicht wie ein Computerprogramm, das seine Fehler selber erkennt und dann verbessert. [ 4 ]
»Anything goes«
Wohl der berühmteste Satz Feyerabends, will sagen: Das Durchwursteln, das Umschmeißen, das kreative Finden war immer schon Antriebsmoment der größten Leistungen auch in der Wissenschaft.
Aber: » 'Anything goes' ist nicht mein 'einziger Grundsatz', sondern der'einzige Grundsatz', der den RATIONALISTEN angesichts des von mir versammelten Materials verbleibt.« [ 5 ]
Rationalismus [lat.], Geisteshaltung , die rationales Denken als einzige
Erkenntnisquelle zuläßt und alles Sein für vernünftig erklärbar hält.
Denken als Befreiung
»Das vielleicht weniger spektakuläre, aufklärerische Moment des «Anything Goes» sollte nicht übersehen werden; die Ermunterung, sich - egal auf welchem Gebiet - seines eigenen Verstandes ohne Rücksicht auf die Normen der herrschenden Meinung zu bedienen. Zwischen den Zeilen wird da einem Denken das Wort geredet, das sich auch an die Ränder traut und die Widersprüche aushält, die in den Dingen liegen. Denken auch als Befreiung von der ideologischen Praxis des «Entweder-Oder". [ 6 ]
"Fast alle meine Handlungen waren vorläufig,
unfertig und ohne ein Ziel.
Vielleicht hing ich an zu vielen Dingen
und wollte nicht festgenagelt werden." [ 7 ]
Paul Karl Feyerabend
ist am 11. Februar 1994 im Alter von 70 Jahren einem Krebsleiden erlegen.
1924 in Wien geboren, studierte er nach Gesang und Theatergeschichte in Weimar an der Universität Wien Philosophie, Geschichte, Physik und Astronomie, wo er 1951 promovierte. Nach einem Aufenthalt an der London School of Economics im Kreise Karl Poppers wurde er 1959 nach Berkely,
Kalifornien berufen. Zuletzt unterrichete er an der ETH Zürich und in Berkely. Seine wichtigsten Publikationen sind: »Wider den Methodenzwang« (1975), »Erkenntnis für freie Menschen« (1977), »Wissenschaft als Kunst« (1984) und »Irrwege der Vernunft« (1991).Seine Pointe des »Anything goes« wurde (...) nicht nur zur Kurzformel einer anarchistischen Erkenntniskritik, sondern auch zur ideologischen Fußnote der Studentenbewegung in den 60er und 70er Jahren (...)." [ 8 ]