Fallschirmspringer
Bewertung: 2 Punkt(e)
Sauerstoff – brauch ma des?
Diese Abhandlung ist für den durchschnittlichen Leser zurechtgeschnitten und erhebt keinen Anspruch auf
wissenschaftliche Vollständigkeit. Sie ist so formuliert, daß ein Fallschirmspringer die Problematik erkennen kann
und ein Wissen vermittelt bekommt, das ihn befähigt, sich in extremen Höhen adäquat zu verhalten.
Sauerstoff aus der Luft gelangt als Energieträger über die Lunge ins Blut, und auf diesem Weg zu Hirn und
Muskeln.
Die Luft ist ein Gemisch, das zu 21% aus Sauerstoff, zu 78% aus Stickstoff und sonstigen Unwichtigkeiten besteht.
In 5500m Höhe ist dieses Verhältnis dasselbe, der Druck und die Dichte jedoch die Hälfte, d.h. in einem Liter Luft
befinden sich in 5500 m nur mehr halb so viel Sauerstoffmoleküle wie am Boden. In 11000m ist es nur mehr ein
Viertel so viel. Das Volumen der Lunge ist jedoch in allen Höhen gleichviel, ca. 3 bis 5 Liter, daraus folgt, daß bei
einem Atemzug nur mehr die Hälfte bzw. ein Viertel Sauerstoff dem Körper zugeführt werden kann.
Das Leben verbraucht Sauerstoff: der Herzschlag, das Sitzen, das Aufstehen, das Hinausspringen aus
flugtüchtigen Luftfahrzeugen, das Landen , Packen, Saufen und das Vögeln. Das eine mehr, das andere weniger,
Sitzen natürlich wenig, Boogie Tanzen im Flieger deutlich mehr.
Die Sauerstoffbilanz im Körper resultiert aus Sauerstoffzufuhr und Verbrauch. Beide Werte sind für den
Fallschirmspringer ab einer Höhe von 2000 m relevant; das heißt, daß wir uns bei jedem Sprung in einer
Sauerstoffmangelsituation befinden. Im normalen Sprungbetrieb (Steigzeiten bis zu 30 Minuten, Absetzhöhe 4000
bis 4500m) reichen beim Gesunden die physiologischen Anpassungsmechanismen des Körpers bei richtigem
Verhalten gerade noch aus. Bei längerem Steigen und größerer Absetzhöhe wird über ein Schlauchsystem mit
Masken oder Nasenbrillen der Atemluft Sauerstoff zugeführt.
Der Verbrauch des Sauerstoffs ist ein Faktor, den der Springer ohne Hilfsmittel in einem sehr erheblichen Maße
selbst beeinflussen kann. So ist es erwiesen, daß jemand, der auch in 4000m bis unmittelbar vor dem Exit ruhig auf
seinem Hintern sitzen bleibt und sich möglichst wenig bewegt –somit möglichst wenig Sauerstoff verbraucht-
seinem Hirn mehr Sauerstoff zuführen kann als jemand, der bereits Minuten vorher aufsteht, sich bückt, sich
bewegt, laut spricht, vom Vorabend noch eine Alkohol-und nikotinbedingte Sauerstoffschuld mitschleppt usw. Im
zweiten Fall sind so Brainlocks und mangelnde geistige Aktivität auch im Falle einer Störung vorprogrammiert. Die
Möglichkeit der Regelung des Verbrauchs ist jedoch begrenzt.
Bei einem Steigflug bis 4000m und verweilen dort (Holding) beträgt erfahrungsgemäß die Zeit, nach der der
durchschnittliche Mensch noch praktisch unbeeinträchtigt handlungsfähig ist, bei einer Person, die flach liegt rund
8 Minuten, bei einer Person die aufrecht geht nur mehr 1 Minute, in 5500 m reduzieren sich diese Zeiten bereits
dramatisch; nämlich auf 3 Minuten bzw. 20 Sekunden.
Jetzt zur Zufuhr.
Der Körper versucht mangelnden Sauerstoff durch schnelleres Atmen zu kompensieren. Du läufst eine Strecke
und atmest schneller, bis Du außer Atem kommst; dann mußt Du pausieren, bis Du Deine Sauerstoffschuld
abgezahlt hast. Diese Fähigkeit des Körpers hat natürlich in ungewohnter Umgebung – dünner Luft in großer Höhe
- engere Grenzen. Mit der Technik wird dieses Problem einfach gelöst. Bei Absprüngen aus großer Höhe wird ab
4000m über Masken der einzuatmenden Luft reiner Sauerstoff beigemengt, so daß dieser einen 42%igen
Volumensanteil erreicht. Somit bringt ein Atemzug Luft dieselbe Anzahl Sauerstoffmoleküle in die Lunge wie in
Meereshöhe. Praktisch funktioniert das bis auf 10000m Höhe. Ab dieser Höhe tritt das Problem des Ausperlens
von im Blut gelöstem Stickstoff auf, das wiederum nur durch einen Druckanzug in den Griff zu bekommen ist.
Im laufenden Sprungbetrieb aus Höhen über 3000 m sind daher folgende Maßnahmen zu empfehlen:
Sei Dir über die Wechselwirkung von Zufuhr und Verbrauch im Klaren.
1.Sauerstoffverbrauch niedrig halten: nur fit ins Flugzeug; Gear- und Pincheck bereits am Boden, sprungfertig
einsteigen; im Flieger ruhig verhalten; auch kurz vor dem Exit nicht hektisch werden. Eine eventuell vorhandene
Sauerstoffmaske sollte erst 30 Sekunden vor dem Exit (nach Kommando vom Kutscher) möglichst
materialschonend abgelegt werden.
2. Sauerstoffzufuhr: Körperhaltung einnehmen, die einem das freie Durchatmen ermöglicht, ruhiges, tiefes Atmen,
und das auch schon ab niedrigen Höhen; bei Sprüngen aus mehr als 4500m, ab 4000m Sauerstoffmaske oder -brille
anlegen, ruhig atmen, eventuell Zuckerl lutschen, um das schmerzhafte Austrocknen der Schleimhäute bei
Sauerstoffatmung zu vermeiden. Achte auf Dich, aber auch auf die anderen rundherum, um Anzeichen des
Sauerstoffmangels früh genug zu erkennen.
Sauerstoffmangel: reduziertes Reaktionsvermögen; »Denkfaulheit«; eingeschränktes Gesichtsfeld; »flaches«
Schwarz-Weißsehen, Übelkeit bis zur Bewußtlosigkeit. Vom Auftreten der ersten Symptome bis zur
Handlungsunfähigkeit kann es sehr schnell gehen. In so einem Fall nicht zuwarten, sondern sofort dem Piloten
melden, natürlich nicht springen!