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wuming schrieb am 14.10. 2007 um 22:40:01 Uhr über

Montagsdemonstrationen

Montagsdemonstrationen gegen Sozialabbau 2004
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Anti-Hartz-DemoAb August 2004 fanden in der Bundesrepublik Deutschland als Reaktion auf die durch das Hartz-Konzept bedingte Arbeitsmarktreformen größere Demonstrationen statt, die von den Demonstranten und den Medien als Hartz-IV Demonstration oder als „Montagsdemonstration“ bezeichnet wurden.

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Begriffsdiskussion
2 Verlauf der Demonstrationen
3 Teilnahme von Neonazis
4 Rolle der MLPD in der Montagsdemo-Bewegung
5 Siehe auch
6 Quellen
7 Literatur
8 Weblinks



Begriffsdiskussion [Bearbeiten]Die Verwendung des Begriffes „Montagsdemonstration“ war jedoch umstritten. Einige DDR-Bürgerrechtler kritisierten die Herstellung einer Analogie zur friedlichen Revolution von 1989. Die Montagsdemonstrationen 1989 hätten der Überwindung einer totalitären Diktatur gedient. Vera Lengsfeld sagte beispielsweise: „Es ging um Freiheit!“ Wolf Biermann verwendete den BegriffEtikettenschwindel“. Besonders scharf wies Wirtschaftsminister Clement als politisch Verantwortlicher den Begriff zurück.

Im Gegensatz dazu verteidigte der Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche Christian Führer die neuen Montagsdemonstrationen 2004 in der Süddeutschen Zeitung wie folgt: „Es kann nicht nach dem Motto gehen: ’Wir begrüßen, dass Ihr gegen die Kommunisten auf die Straße gegangen seid, aber jetzt habt Ihr die Klappe zu halten.’ So geht das echt nicht.“[1] Dem stimmten 60 ehemalige Mitglieder von DDR-Oppositionsgruppen in ihrer Erklärung vom 29. August 2004: „Wir protestieren gegen Hartz IV. Wir sind einverstanden mit der Wiederbelebung der Montagsdemonstrationen. Es ging und geht um Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Mündigkeit, Menschenwürde und Freiheit.“[2]


Verlauf der Demonstrationen [Bearbeiten]Als Initiator gilt Andreas Erholdt, ein arbeitsloser Bürokaufmann aus Magdeburg, wo er die ersten Montagsdemonstrationen organisierte. Auf ihrem Höhepunkt am 30. August demonstrierten in über 200 Städten mindestens 200.000 Menschen gegen das sogenannteHartz IV“-Reformpaket und die damit verbundene Streichung der Arbeitslosenhilfe und ihre Ersetzung durch das neueArbeitslosengeld II“. Eine politische Dimension erhielten die Demonstrationen während der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Auch der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) nahm dadurch teil. Dies wurde als wahltaktisches Manöver kritisiert, zumal die CDU bundespolitisch eigentlich noch härtere Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme gefordert hatte und das Hartz-Konzept mitgetragen hatte.

Ab Mitte Oktober 2004 brach die Teilnehmerzahl deutlich ein und zahlreiche Gruppierungen zogen sich von den Demonstrationen zurück. Dies lag sicherlich auch am offen ausgetragenen Streit zwischen den die Aktionen tragenden Veranstaltern über politische Grundsatzfragen. Dennoch fanden auch 2005 noch Montagsdemonstrationen in ca. 50-100 Städten mit einer Gesamtteilnehmerzahl in Deutschland zwischen 2600 und 8000 im Monat statt. Diese Zahl differierte so stark, da manche Städte nur einmal oder zweimal im Monat demonstrieren. Die Demonstrationen wurden in ca. 100 Städten auch 2006 weitergeführt.

Im Bundestagswahlkampf 2005 wurden Auftritte von Spitzenpolitikern in Essen und anderen Städten von Montagsdemonstranten mit Transparenten und Pfeifkonzerten gestört.[3] Edmund Stoiber bezeichnete bei einer Rede im niederbayerischen Deggendorf die Montagsdemonstranten in Jena und Eisenach alsdumme Kälber, die ihre Metzger selber“ wählten, weil sie Plakate von Oskar Lafontaine gezeigt hätten, derwas dessen Anhänger bestreiten – gegen die Einbeziehung der Ostdeutschen in die Rentenversicherung und die sozialen Sicherungssysteme gewesen sei.[4] Angela Merkel rügte Störer während ihres Wahlkampfauftrittes in Wittenberg, dieWeg mit Hartz IVforderten: „Die da schreien, haben meist nichts mitgekriegt in der Schule“.[5] Lafontaine stufte die Montagsdemos als Beweis dafür ein, dass sichdas Volk die Politik wieder aneignen“ wolle.[6]

Bundespräsident Horst Köhler, der die hoch verschuldete Hansestadt am 10. September 2007 mit einem Gefolge von 180 Diplomaten besuchte, begrüßte die Bremer Montagsdemonstranten freundlich und sagte am Offenen Mikrofon: „Wenn wir uns hier treffen, glaube ich, haben Sie das Recht zu demonstrieren. Die Botschafter aus der ganzen Welt sehen, dass Deutschland, in diesem Fall Bremen und Bremerhaven, ebenfalls mit Problemen kämpft. Das ist wichtig, denn aus der Sicht vieler Botschafter aus Afrika gehts uns in Deutschland riesig gut. Ich möchte ihnen eben dann zeigen: Auch hier wird gekämpft, ist nicht alles rosig. Deshalb müssen wir weiterarbeiten, und deshalb ist es gut, dass wir zur Kenntnis nehmen, was Sie sagen und was Sie beschwert!“[7][8][9][10]

Am 13. Oktober 2007 nahmen rund 7.000 Menschen an der 4. bundesweiten Demonstration der Montagsdemo-Bewegung in Berlin teil. Sie kamen aus ganz Deutschland und verlangten unter anderem eine Rücknahme der Hartz-IV-Reformen und der Rente mit 67. Weiter richtete sich der Protest gegen den Abbau demokratischer Freiheitsrechte und gegen Bespitzelung durch Behörden. Demonstranten forderten auf Plakaten und Transparenten Mindestlöhne und die Einführung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Sie schwenkten die Fahnen linker Parteien und Gruppierungen sowie von Gewerkschaften wie der IG Metall und Verdi. Die Polizei lobte den friedlichen Verlauf der von einer bundesweiten Koordinierungsgruppe der Bewegung organisierten Veranstaltung. Im Demonstrationsaufruf hieß es: „Wir wollen Arbeit, von der man leben kann. Wir lassen uns nicht in Arbeiter und Arbeitslose spalten. Wir wollen eine lebenswerte Zukunft.“[11][12] Der MLPD-Vorsitzende Stefan Engel sagte in einem Redebeitrag: „Es ist den Herrschenden nicht gelungen, der Mehrheit der Bevölkerung die Hartz-Gesetze nahe zu bringen. Keiner soll glauben, dass dies so wäre, wenn es die Montagsdemo-Bewegung nicht gäbe.“[13]


Teilnahme von Neonazis [Bearbeiten]In Erfurt ist es eine Auflage der Polizei gewesen, dass die Demonstranten einen öffentlichen Platz mit den Rechtsextremen teilen mussten. Die Demonstration fand dort in Anlehnung an die Erfurter Tradition des Jahres 1989 immer donnerstags statt. Ab etwa November 2004 wurde an Stelle der Demonstration eine Kundgebung auf dem Erfurter Anger durchgeführt. Dabei kam es zu einem Zwischenfall, bei dem der Verdi-Funktionär Angelo Lucifero mit einer Schreckschußpistole in die Luft schoss, nachdem stadtbekannte Neonazi-Kader ihn bedrängten.

In anderen Städten versuchten Neonazis immer wiederanfangs oft erfolgreichsich in die Montagsdemonstrationen einzureihen. Dass dies von den Demonstranten nicht immer verhindert wurde, haben viele Antifaschisten kritisiert. Zu den Ursachen dafür zählten:

Die Organisatoren haben zu wenige Ordner gestellt, sodass ein Ausschluss der Neonazis nicht durchsetzbar war. In Einzelfällen in kleineren Ortschaften wurden sogar Ordner aus dem rechtsextremen Spektrum rekrutiert.
Manche der unerfahreneren Organisatoren waren politisch so unbedarft, dass ihnen die Notwendigkeit einer Ausgrenzung von Neonazis nicht klar war. Alle Sozialabbau-Opfer hätten ein Recht zu protestieren, argumentierten sie.
Von den Gewerkschaftsspitzen wurde die marginale Beteiligung von Rechtsextremisten an den Montagsdemonstrationen als Grund dafür genannt, nicht bundesweit zur Teilnahme an Demonstrationen gegen Sozialabbau aufzurufen.

Ein Grundsatz vieler Montagsdemonstrationen lautet daher: „Wir grenzen uns entschieden von Faschisten ab. Sie haben auf der Montagsdemo nichts zu suchen.“ [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20]


Rolle der MLPD in der Montagsdemo-Bewegung [Bearbeiten]In Anwesenheit des Bremer PDS-Vorsitzenden und Teilnehmers[21][22] an der Montagsdemo, Klaus-Rainer Rupp, tauschte sich der Koordinierungskreis von Attac auf seiner Sitzung am 23. August 2004 über die Einschätzungen zur politischen Lage angesichts der Montagsdemonstrationen aus.

Im Sitzungsprotokoll[23] heißt es, die Proteste gegen Hartz IV seien „beherrschendes“ Thema, derheiße Herbsthabebegonnen“. Während die Gliederungen der Gewerkschaften langsam anfingen, sich den Montagsdemos anzuschließen, zögere die DGB-Spitze vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen. Offenbar machten die Proteste so vielEindruck“, dass sich die Regierung zu „Nachbesserungen“ gezwungen sehe.

Die spontane Massenbewegung in Ostdeutschland finde aber noch keine Entsprechung in Westdeutschland. Hier seien die Attac-Gruppen gefordert. Der Bewegung abträglich seien Versuche von politischen Kleinstgruppen wie der MLPD, die Montagsdemo unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Das überregionale Koordinationstreffen in Leipzig am 28. August 2004 drohe von der MLPDunterwandertzu werden.

Da viele Leute, die die alten Auseinandersetzung der westdeutschen Linken nicht miterlebt hätten, dasProblem mit der MLPDnicht verstünden, solle ein erklärendes Papier vorbereitet und an die Gruppen verschickt werden. Eine Schlammschlacht über die Presse solle aber unbedingt vermieden werden. Eine bundesweite Struktur zur Koordinierung der Demos werde nicht für notwendig erachtet und solle derzeit unbedingt vermieden werden.

Eine große Demonstration am 3. Oktober 2004, die von der MLPD unter demvöllig inakzeptablen“ MottoMarsch auf Berlinins Gespräch gebracht worden sei, finde in Ostdeutschland großen Anklang. Sie laufe aberGefahr“, als Endpunkt der Montagsdemos zu wirken und in den Medien mit dem Protesttag am 3. April 2004 verglichen zu werden.

In Bremen trat das „Bündnis gegen Sozialkahlschlag" im Januar 2005 die Organisation der Montagsdemonstration an eine Gruppe unabhängiger, parteiloser Bürger und Vertreter der MLPD ab, die auch vorher schon die Vorbereitung bei zusätzlichen Besprechungen durchgeführt hatte. Die Aufrechterhaltung wöchentlicher Montagsdemos wurde laut Trennungsbeschluss[24] von Teilen des Bündnisses nicht mehr für sinnvoll gehalten. Man müsse eine Kampagne zu einem geordneten Ende führen, bevor sie kläglich auseinanderlaufe.

Eine weitere Zusammenarbeit mit der MLPD wurde abgelehnt. Diese zeige mangelnde Solidarität mit Bündnispartnern und unterstütze in der bundesweiten breiten Bewegung gegen Sozialkahlschlag nur die unter ihrem Einfluss stehende Richtung. Die Montagsdemo sehe sie nicht als Protestform, sondern als gesonderte Bewegung unter ihrer Führung. Dazu strebe sie deren bundesweite Vernetzung nach ihrem Organisationsschema an. Ihre Bremer Vertreter hätten sich organisatorisch stark beteiligt und seien bemüht gewesen, Richtlinien ihrer Partei „durchzudrücken".

Es genüge aber nicht, sich für die Verabschiedung von Prinzipien einer Bewegung stark zu machen, in denen man sichentschieden gegen Faschismus“ abgrenzt. Dies könnten auch rechte Populisten unterschreiben. Forderungen und Parolen wieWeg mit Hartz IV, das Volk sind wirseien ebenfalls nicht geeignet, sich von ihnen abzugrenzen. Gute basisdemokratische Formen wie Abstimmungen unter allen Kundgebungsteilnehmern und „Offenes Mikrofon«, das jedemauf antifaschistischer Grundlage" für drei Minuten zur Verfügung steht, könnten bei dilettantischer Durchführung zur Farce werden.


Siehe auch [Bearbeiten]Hartz-Konzept
Aktion Agenturschluss

Quellen [Bearbeiten]↑ Süddeutsche Zeitung am 9. August 2004
http://www.telegraph.ostbuero.de/telegraph_sa01.pdf
↑ „Spiegel-Onlineam 10. August 2005
↑ „Spiegel-Onlineam 15. August 2005
↑ „Spiegel-Onlineam 15. August 2005
↑ „Spiegel-Onlineam 27. August 2005
↑ 149. Bremer Montagsdemo
↑ „Kreiszeitung Syke“ am 11. September 2007
↑ „Erwerbslosenforum“ (mit Foto)
↑ „Rote Fahne Newsam 14. September 2007
↑ „Spiegel Onlineam 13. Oktober 2007
↑ „Berlin Onlineam 13. Oktober 2007
↑ „Rote Fahne Newsam 13. Oktober 2007
Grundsätze der Bremer Montagsdemo
Prinzipien der Essener Montagsdemonstration
Prinzipien der Montagsdemo Kassel
Prinzipien der Montagsdemos in Recklinghausen
Grundsätze der Reutlinger Montagsaktion
Prinzipien der Montagsdemonstration Sindelfingen
Prinzipien für die Montagsdemo Sondershausen
1. Bremer Montagsdemo
3. Bremer Montagsdemo
↑ Sitzungsprotokoll des Attac-KoKreises vom 23. 8. 2004>
Stellungnahme des Bremer Bündnisses gegen Sozialkahlschlag vom Januar 2005

Literatur [Bearbeiten]Agenturschluss (Hg) (2006):Schwarzbuch Hartz IV. Sozialer Angriff und WiderstandEine Zwischenbilanz. Assoziation A, Hamburg/Berlin. ISBN 3-935936-51-6

Weblinks [Bearbeiten]Offizielle Homepage der bundesweiten Montagsdemonstration
Stern: MassendemosHartz IV schmilzt im Protest-Sommer
Wer sind die MontagsdemonstrantInnen? Ergebnisse einer Umfrage
Vonhttp://de.wikipedia.org/wiki/Montagsdemonstrationen_gegen_Sozialabbau_2004“
Kategorien: Demonstration | 2004




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