Die „Aesthetik“, die in wiederholten Auflagen erschienen ist (1859¹, 1885³, Bd. I u. II d. Ges.-W.), umfaßt 2 Theile. In dem ersten handelt der Verfasser im allgemeinen von der Idee des Schönen und ihrer Gestaltung im Kosmos und in der Natur, unter den Aufschriften Schönheit, Welt Phantasie; in dem zweiten legt er dann die Principien und Grenzen des Schönen in den drei Reichen der bildenden Kunst, der Musik und der Poesie dar. Dem letzten Theile, in dem er selbst nicht bloß betrachtend, sondern auch schöpferisch thätig war, widmete er noch ein besonderes Buch „Das Wesen und die Formen der Poesie, ein Beitrag zur Philosophie des Schönen und der Kunst“ (1854¹, 1886² = Bd. III d. Ges. W.). Auf seine „Aesthetik“ legte C. selbst ein großes Gewicht: es war dasjenige Gebiet, das er speciell als Professor an der Universität vertrat, und zu den er durch seine Stellung an der Kunstakademie und im Verkehr mit Künstlern und Dichtern reichste Anregung erhielt. Auch hat er mit seinen Vorlesungen über Aesthetik und besonders über das Wesen und die Formen der Poesie großen Anklang gefunden; aber es fehlte auch nicht an Ausstellungen und abfälligen Urtheilen. Abgesehen von denjenigen, welche überhaupt auf theoretische Erörterungen im Gebiete der schaffenden Kunst keinen Werth legen, wurde auch von Fachmännern die präcise Formulirung der Gedanken und die psychologische Entwicklung vom Empfinden des Schönen vermißt, und Lotze glaubte so weit gehen zu dürfen, in seiner Geschichte der Aesthetik die Leistungen Carriere’s einfach zu ignoriren. Es übte eben hier am meisten bei unserem Freunde die Hegel’sche Begriffssystematik ihren Einfluß zu Ungunsten der Sache: dem beliebten Dreiklang zulieb wird nicht bloß in der bildenden Kunst Architektur, Plastik, Malerei, in der Poesie Epos, Lyrik, Drama unterschieden, sondern auch in der Musik zur Instrumental- und Vocalmusik als Drittes die Verbindung von Instrumental- und Vocalmusik gestellt, und in der Lyrik eine Scheidung in Lyrik des Gefühls, der Anschauung und des Gedankens durchgeführt. Das schmeckt stark nach Hegel’scher Architektonik und entspricht wenig dem historischen Werden und dem inneren Wesen der Sache, noch weniger, wenn der Unterschied von Ode und Elegie statt historisch entwickelt und aus dem Versmaß erklärt zu werden, dahin bestimmt wird, daß die Ode den großen Gehalt des Lebens ergreift, die Elegie hingegen einen sanften, schmelzenden Ton hat.
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