Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Rechtschreibreform«
Miri schrieb am 14.3. 2001 um 00:44:09 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Regeln
Beispiele
Verbindungen aus Substantiv
und Verb
werden nun in der Regel
getrennt geschrieben.
Rad fahren, Eis laufen,
Halt machen, Maschine
schreiben, u.a.
(wie bisher auch schon Auto
fahren
und Klavier spielen)
Die Zusammenschreibung
bleibt jedoch bei Verbindungen,
in denen
das Substantiv verblasst ist.
Wenn Substantiv und Verb
eine
untrennbare Zusammensetzung
bilden,
so bleibt es ebenfalls bei der
Zusammenschreibung.
preisgeben (er gibt preis),
standhalten (ich hielt stand),
stattfinden (das Fest findet
statt),
teilhaben (wir hatten daran teil)
schlafwandeln (sie
schlafwandelte),
schlussfolgern (wir
schlussfolgern)
Verbindungen aus Substantiv
und Partizip
werden ebenfalls getrennt
geschrieben,
wenn die Getrenntschreibung
auch im
Infinitiv gilt und in der
Verbindung
kein Wort erspart wird.
Kohle exportierend wie Kohle
exportieren
Aufsicht führend wie Aufsicht
führen
Handel treibend wie Handel
treiben
aber: mondbeschienen (vom
Mond
beschienen, vom wird
erspart)
Nur noch getrennt schreibt man
Verbindungen aus einem Verb
im Infinitiv
und einem zweiten Verb.
einen Stift / einen Menschen
fallen lassen
auf der Bank / wegen schlechter
Noten
sitzen bleiben
bestehen bleiben,
kennen lernen, flöten gehen
Auch Verbindungen
aus einem Partizip und einem
Verb
werden nur noch getrennt
geschrieben.
getrennt leben, getrennt
schreiben,
verloren gehen,
gefangen halten, u.a.
Grundsätzlich getrennt schreibt
man
Verbindungen aus aneinander,
auseinander, aufeinander, usw.
und Verb.
aneinander fügen, aneinander
geraten
auseinander gehen, auseinander
biegen
aufeinander liegen,
gegeneinander prallen
Verbindungen aus Adverbien,
die mit -wärts gebildet sind, und
einem
Verb werden ebenfalls
immer getrennt geschrieben.
aufwärts gehen,
vorwärts kommen
Getrennt schreibt man nun auch
alle
Verbindungen mit dem Verb
sein.
beisammen sein,
auf sein, an sein, u.a.
Verbindungen aus Adjektiv und
Verb
werden immer dann getrennt
geschrieben,
wenn das Adjektiv steigerbar
oder durch
sehr bzw. ganz erweiterbar ist.
Man schreibt dagegen
Verbindungen, bei denen das
Adjektiv
nicht steigerbar ist, zusammen.
gut gehen (besser gehen),
gerade sitzen (ganz gerade
sitzen),
ernst nehmen (sehr ernst
nehmen),
schwer fallen (sehr schwer
fallen),
übel nehmen (sehr übel
nehmen), u.a.
fernsehen,
festsetzen (= bestimmen)
Getrennt schreibt man auch
bestimmte
Verbindungen aus
zusammengesetzten
Adverbien und Verben.
überhand nehmen,
anheim fallen,
vorlieb nehmen
Zusammen- oder
Getrenntschreibung
ist bei folgenden Adverbien
möglich.
infrage stellen wie bisher auch
in Frage stellen,
instand setzen und nun auch
in Stand setzen,
zugrunde liegen und nun auch
zu Grunde liegen,
zustande bringen und nun auch
zu Stande bringen,
zutage fördern und nun auch
zu Tage fördern, u.a.
Getrennt schreibt man auch
Verbindungen
aus einem Adjektiv und einem
Partizip
oder Verbindungen aus zwei
Adjektiven,
wenn der erste Bestandteil ein
Partizip ist,
wenn der erste Bestandteil auf
-ig, -isch
oder -lich endet,
wenn der erste Bestandteil
gesteigert oder
erweitert werden kann.
kochend heiß, leuchtend rot
riesig groß, mikroskopisch
klein,
bläulich grün
schlecht gelaunt, dünn besiedelt,
oben
erwähnt, ernst gemeint
Nach dem Muster von
irgendein,
irgendwann, irgendwer u.a.
schreibt man
nun auch irgendjemand und
irgendetwas zusammen.
irgendjemand rief,
irgendetwas geschah
aber: irgend so ein, irgend so
etwas
Salamander schrieb am 6.6. 2006 um 15:15:34 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Rechtschreibreform vor dem Ende?
Die Flickschusterei eskaliert – Ickler verläßt den Rechtschreibrat
Ende Februar hat Theodor Ickler seinen Austritt aus dem „Rat für deutsche Rechtschreibung“ erklärt. Damit hat der profilierteste Kritiker des umstrittenen Reformwerks jenes Gremium verlassen, das für die „behutsame Weiterentwicklung“ der neuen Rechtschreibung zuständig ist — nach offizieller Lesart. Denn inoffiziell ging es um nichts anderes als die klammheimliche Reparatur der größten Monströsitäten einer verfehlten und lebensuntüchtigen neuen Orthographie.
Mit Theodor Ickler saß nur ein einziger Kritiker der Rechtschreibreform im Rat. Alle anderen sind entweder selbst Urheber der Reform, oder sie stimmen ihr zu. Dementsprechend war der Wille des Rats, das Regelwerk überhaupt tiefgreifend zu ändern, nicht besonders hoch. Unter künstlich erzeugtem Zeitdruck und in freiwilliger Beschränkung auf nur wenige, von den bundesdeutschen Kultusministern für „strittig“ erklärte, Bereiche unserer Rechtschreibung wurde dort demokratisch entschieden, was ein Substantiv und was ein Adverb ist. So wird das „Leid“ in „leid tun“ einerseits als Substantiv aufgefaßt, andererseits hat der Rat aber bei diesem „Substantiv“ jetzt die Kleinschreibung verordnet. Die Zahl der Ausnahmeregelungen steigt und steigt, die Reform verfehlt ihr Ziel der Vereinfachung völlig.
Da die Kultusministerkonferenz sicher sein wollte, daß an dem Reformwerk keine zu weitreichenden Eingriffe vorgenommen werden, wurde der Rechtschreibrat ferner auf Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit verpflichtet. Angesichts der aussichtslosen Position des einen reformkritischen Ratsmitglieds Ickler ist schon das ein Unding. Dessenungeachtet erklärte Andrea Freundsberger, Oberrätin im österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, auf Anfrage dieser Zeitschrift: „Insgesamt wirken im Rat Reformbefürworter und Reformkritiker in überliefert konstruktiver Weise zusammen.“ Der Rechtschreibrat ist jedoch keineswegs mit Experten aus Germanistik und Linguistik besetzt, sondern mit Lobbyisten aus Verbänden und Wirtschaftsunternehmen, die mehr Gespür für Geschäftsinteressen als für die sprachliche Wirklichkeit haben. So kontrolliert allein der Mannheimer Dudenverlag direkt oder indirekt sieben Ratsmitglieder.
Vereinbarungen in Hinterzimmern
Die Geschäftsführerin des Rechtschreibrats, Kerstin Güthert, hält klandestine Sitzungen mit den im Rat vertretenen Wörterbuchverlagen ab, auf denen hinter ledergepolsterten Türen die Umsetzung des havarierten Regelwerks in den Wörterbüchern sowie Wörterlisten erarbeitet werden. Diese Wörterlisten und Einzelfestlegungen werden als Ergebnisse der Ratsarbeit der Öffentlichkeit präsentiert, ohne außer von den Wörterbuchredakteuren von einem einzigen Ratsmitglied begutachtet worden zu sein. Und mehr noch: Die zunächst anberaumte „Anhörung weiterer Verbände“ wurde zum einen Teil nur halbherzig durchgeführt und zum anderen Teil abgesagt. Wo diese Verbände überhaupt zur Begutachtung des Regelwerks kamen, hatten sie dafür nur drei oder vier Tage Zeit.
Inzwischen wird die Frage nach der Legitimität der ganzen Sache immer lauter gestellt: So unterzeichneten die deutschsprachigen Staaten am 1.7.1996 die Wiener Absichtserklärung, eine rechtlich nicht verbindliche Vereinbarung, sich für die Umsetzung der Rechtschreibreform einzusetzen. Dazu gehörte auch die Einrichtung jener zwischenstaatlichen Kommission, die nach mancherlei Querelen im Jahre 2004 aufgelöst und durch den „Rat für deutsche Rechtschreibung“ ersetzt wurde. Dessen Gründungsurkunde ist eine neue „Vereinbarung“ über ein „Statut“. Beides wurde von den beteiligten Staaten am 16.12.2004 unterzeichnet, also genau einen Tag vor der konstituierenden Sitzung des Rates für deutsche Rechtschreibung. Dessen Mitglieder erfuhren bei dieser Gelegenheit auch, daß inzwischen die Stelle eines Geschäftsführers ausgeschrieben, die Bewerbungsfrist abgelaufen und eine Geschäftsführerin (ebenjene Kerstin Güthert) ausgewählt worden war.
Vereinbarung und Statut wurden am 17.6.2005 abgeändert und aufs neue unterzeichnet. Auch von dieser Neufassung hatten die Ratsmitglieder keine Kenntnis. Laut Statut soll der Rat „die wichtigsten wissenschaftlich und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen repräsentieren“. Dominiert wird er allerdings von Verlagsunternehmen und anderen Interessenvertretern, die zwar mit der Reformdurchsetzung befaßt sind, aber nicht mit der Sprachentwicklung. Und auch der Anteil der Bundesregierung und der einzelnen Ministerien an der Verantwortung für die Reform ist nicht mehr durchschaubar.
Was den Inhalt der Neuregelung betrifft, so ist zunächst eine inoffizielle, auf Absprachen zwischen der Kommission und den führenden Wörterbuchverlagen beruhende Revision vorgenommen worden, die im Sommer 2000 zu einer neuen Generation von Rechtschreibwörterbüchern führte. Im Sommer 2004 trat dann die erste amtliche Revision in Kraft, wiederum mit der Folge neuer Rechtschreibwörterbücher. Den Kultusministern hat die revidierte Fassung nicht noch einmal zur Billigung vorgelegen. Sie haben also auch nicht geprüft, ob die Kommission tatsächlich die „Modifikationsbeschlüsse der zuständigen Stellen“ korrekt umgesetzt hat. Und das revidierte Wörterverzeichnis wird ganz und gar das Werk der privilegierten Wörterbuchverlage sein und vom Rat nicht mehr begutachtet werden. Die Kultusminister haben bereits angekündigt, daß sie das Gesamtpaket unbesehen annehmen wollen.
Die Perspektiven
Für die bundesdeutsche Kultusministerkonferent, ein verfassungsmäßig nicht vorgesehenes Exekutivorgan föderalistischer Bildungspolitik, dem sich die zuständigen österreichischen, schweizer und liechtensteinischen Verwaltungsstellen ohne jede Not, aber freiwillig unterwerfen, gibt es nun drei Möglichkeiten. Entweder nickt sie die neue Stufe der Rückreform, wie angekündigt, unbesehen durch. Damit wird das Rechtschreibvolk nicht zu „versöhnen“ sein, wie es beabsichtigt war. Oder sie lehnt die Ratsvorschläge ab und beharrt auf dem Reformstand vom Sommer 2005. In diesem Fall wäre der Ratsvorsitzende Hans Zehetmair in einiger Erklärungsnot. Die meisten Ratsmitglieder waren in den letzten Monaten sowieso den nötigen Reparaturen abhold. Oder aber, drittens, die Empfehlungen zur Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung und Silbentrennung werden gebilligt, der Rest nicht.
Was auch geschehen wird, ist doch die breite Ablehnung dieser andauernden Flickschustereien in der Bevölkerung lebendiger denn je. Immer mehr Anwender, auch jene, die es mit der neuen Rechtschreibung ehrlich versucht haben, kehren zur traditionellen Rechtschreibung zurück. Dies geschieht ohne spektakuläre Verlautbarungen — mit Ausnahme von Symbolwörtern wie dass und Schifffahrt wird immer häufiger so geschrieben wir zuvor. Buchverlage denken bereits über ein gemeinsames Siegel „In normaler deutscher Rechtschreibung“ nach. Und auf Wikipedia war bereits zu lesen, der Duden plane für den Herbst 2006 eine „Traditionsausgabe“ in normaler Rechtschreibung, um sich die bedeutende Nachfrage nach einem aktuellen deutschen Wörterbuch in traditioneller Rechtschreibung nicht entgehen zu lassen.
Das sind wilde Zeiten in der Schlußphase des großen Rechtschreibkriegs. Die Fronten sind so verhärtet wie nie zuvor. Mit einem sauberen Schnitt ließe sich dieses Dauerproblem endlich aus der Welt schaffen. Die Schweiz steht bereits unmittelbar vor dem Ausstieg aus dem Massenexperiment. Von Österreich ist kein Widerstand zu erwarten, solange der Koloß Bundesrepublik auf Linie bleibt. Dort aber haben die Ministerialbeamten die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Denn das letzte Wort hat das Schreibvolk.
Internet:
www.sprachforschung.org
www.deutsche-sprachwelt.de
Raul schrieb am 1.5. 2006 um 00:09:24 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
In der That, eyn gräuslich Unterfangen, diese Rechtschreyb Reform. Dies aberwitz'ge Thun musz vom Tische! Läszt sich doch Goethen kaum noch lesen, verschandelt wie die Sprach bey solch Verhängnis vollem Bureaucrathenthume ward.
Im Jahre d.H. 1901 musz es gewesen seyn, dasz dies unsäglich Ding das rechte Schreiben zum Verdorren bracht. Fortan ward dem Plebs Thür und Thor aufgethan. Der Fehler ward als Fehler nicht mehr gescholten. Nein, als blasse und dürfth'ge Regel trieb er viel mehr hinforth seyn Unwesen, jedwede Schrift verschandelnd.
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