Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Buchmaschine«
Dubost, Jean-Pierre schrieb am 11.1. 2001 um 09:22:28 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Zukunft (der Literatur):
Potentialität der Formen
"Es stellt sich also die Frage, worin der Unterschied zwischen
der technologischen und literarischen Innovation besteht. Die
Zukunft der Literatur kann sicherlich nicht allein darin
bestehen, die Science-fiction als alleiniges Modell textueller
Erfahrungen zu nehmen. [...] Was nun die Sirenen Odysseus
zu singen versprechen, ist die Vergangenheit seiner eigenen
Unternehmungen, die für die Zukunft in Epos zu verwandeln
sind. [...] In der Tat: jede Zukunftsmusik bleibt dem Text
unhörbar. Er ist es, der sich die Ohren mit Wachs zustopft, um
nicht zu hören. Würde die textuelle Erfindung
phänomenologisch als ein Akt des Horchens beschreibbar
sein, dann müßte man wahrlich sagen, daß die Literatur
seltame Ohren hat. Sie kann den Schall und Wahn der
Gegenwart vollkommen überhören und Nadeln auf den Boden
fallen hören, die erst in Jahren oder Jahrhunderten fallen
werden. Diese seltame Fähigkeit hat nicht zuletzt damit zu tun,
daß die Erfindung neuer Formen ein besonderes Hörorgan
voraussetzt, das imstande ist, jenes 'Grundgeräusch' zu
vernehmen, jenes 'Murmeln des Intertext', das nicht die
Gesamtheit aller Sprachen und auch nicht aller Diskurse,
sondern die Möglichkeitdes Virtuellen ist. [...] Ihre
Aktualisierung war aber niemals etwas anderes [...] als ihre
eigenen Ankündigung [...]. Denn die Textualität beruht nicht
allein auf Mimesis, auf Simulation, sie ist auch jene Bahnung,
die sich selbst voraus ist. [...] Die blinde Retention, die die
literarische Innovation ermöglicht, bedeutet kein passives
Verfügen über ein unendliches Reservoir von Daten (von
Themen, Schemata, Techniken). Textformen, die zu anderen
möglichen (vergangenen oder noch nicht realisierten) Formen
in einem nur repräsentativen Verhältnis stehen [...], haben
literarisch keine Zukunft. Formen, die 'ganz neu' wären und
gar keinen Bezug zum 'unendlichen Gemurmel' der Texte
haben würden, gibt es einfach nicht. Die 'Zukunft der
Literatur' besteht also nicht darin, zukunftsgerichtet rationale
Konjekturen intuitiv zu überbieten oder den 'Vorschein der
Zukunft' textuell zu aktualisieren, sie besteht darin, unter den
Bedingungen des Vergessens sich an die Potentialität der
Formen zu erinnern."
(Dubost, Jean-Pierre 1990: Die Zukunft des Textes, in:
Sloterdijk, Peter (Hg.): Berichte zur Lage der Zukunft.
Frankfurt am Main, S. 504-527, hier S. 519- 520
hei+co schrieb am 4.11. 2000 um 00:11:41 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Text als Oberfläche
So könnte höchstens ein Text, der niemals gelesen werden würde, einen Autor haben - jeder andere Text aber ist Produkt von verschiedenen textproduktiven Prozessen - Textmaschinen:
Sprachspielen, Auf- und Entladungen, Referenzen, die sich aufbauen, abbrechen,. vertiefen und vernetzen ... Differenzen und Wiederholungen von Lese- und Schreib-akten ...
Ein Text stellt eine Oberfläche dar für die Begegnung von Leser und Schreiber, Urheber und Nutzer, Sender und Empfänger ...
»Autor und Leser sind durch gleiche Anstrengung und Aufmerksamkeit in der Textarbeit vereint. Die Gültigkeit dieser Konstellation erstreckt sich idealerweise auf einen zeitlich wie kulturell gemeinsamen Textort, wo sich schreibender ’Leseautor’ und dem Formulierungsprozeß inhärenter ’Autorleser’ treffen. [...] Die impliziten Interaktionen, die sich im unmittelbaren, weitgehend gleichberechtigtem Korrespondenzwissen von Autor und Leser intentional aufeinander bezogen aufbauen und zur evidenz gelangen, entziehen sich einer auktorialen Verfügung. [...] Dem Leser fält zunehmend Autorschaft zu, die aber nicht mehr mit dem ursprünglichen Formulierer zurückgekoppelt ist, sondern die diese Bindungsgemeinschaft nur noch simuliert. « (Kleinschmidt, Erich, Autorschaft. Konzepte einer Theorie, Tübingen und Basel, 1998, 43)
hei+co schrieb am 4.11. 2000 um 00:19:53 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
aus der Werkzeugkiste: Buch als Brille
"Das Buch hat aufgehört, ein Mikrokosmos nach klassischer und abendländischer Art zu sein. Das Buch ist kein Bild der Welt und noch viel weniger Signifikant. Es ist nicht schöne organische Totalität, auch nicht mehr Einheit des Sinns. Michel Foucault antwortet auf die Frage, was für ihn ein Buch sei: eine Werkzeugkiste. Und Proust, dessen Werk voller Bedeutungen stecken soll, meinte, daß sein Buch wie eine Brille sei: probiert, ob sie euch paßt; ob ihr mit ihr etwas sehen könnt, was euch sonst entgangen wäre; wenn nicht, dann laßt mein Buch liegen und sucht andere, mit denen es besser geht. Findet die Stellen in einem Buch, mit denen ihr etwas anfangen könnt.
Wir lesen und schreiben nicht mehr in der herkömmlichen Weise. Es gibt keinen Tod des Buches, sondern eine neue Art zu lesen. In einem Buch gibt' s nichts zu verstehen, aber viel dessen man sich bedienen kann. Nichts zu interpretieren und zu bedeuten, aber viel, womit man experimentieren kann. Ein Buch muß mit etwas anderem 'Maschine' machen, es muß ein kleines Werkzeug für ein Außen sein."
(Deleuze/Guattari: Rhizom, Berlin 1977 , 40)
Pierre Bayle schrieb am 11.1. 2001 um 09:20:22 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Irrtümer, Lexikon der
Daß die Archive des Wissens nicht nur rein kumulativer Natur
sein können und dürfen, zeigt das historisch-kritische
Wörterbuch, das Pierre Bayle nach zehnjähriger Forschungs-
und Kompilationsarbeit herausbrachte - und das zu einem
einflußreichen Konversationslexikon der aufklärerischen
Salons avancierte. Der Ansatz ist durch und durch intertextuell
und liest sich wie das Projekt einer `historisch kritischen'
Neu-Auflage aller bisherigen Wörterbücher: es geht um ein
Lexikon von Fehlern, Irrtümern, Auslassungen, Verdrehungen
der gängigen Lexika seiner Zeit:
,,Ich habe mir in den Kopf gesetzt, die größte mir mögliche
Sammlung von Fehlern zusammenzustellen, die sich in den
Nachschlagewerken finden [...].
(Neumeister 1990, S. 62)
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