Wohnzimmer

Wohnzimmer im „global village“.
Da gibt's Leute, deren „Wohnzimmer“ ist der Yacht Club in Monaco. Der Eintritt dort kostet 150,– DM für einen Tag. Da gibt es Menschen, deren „Wohnzimmer“ ist die Müllhalde von Manila. Der Eintritt dort ist kostenlos. Im ersten Wohnzimmer regiert die Langeweile, im zweiten Wohnzimmer lauert der Tod.

Eigentlich ist schon das Wort »Wohnzimmer« ja sowas von spiessig, man könnte Hörner kriegen. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Diele, Bad - urgs. Warum heisst es nicht Kochzimmer und Leerzimmer oder so? Im Englischen klingt das sowieso alles viel Besser. Livingroom. Ehrlich, da wird doch drin gelebt, im Wohnzimmer. Oh, natürlich nicht im Deutschen Wohnzimmer. Da muss das Deckchen aufs Tischchen und das Kissen aufs Sofa. Und das Schlafzimmer heisst Bedroom, weil da das Bett steht. So einfach.

Wohnzimmer steht für mich für das Zusammentreffen der Familie. Im Wohnzimmer gibt's Kaffee. Im Wohnzimmer wird zu Abend gegessen. Und wenn dann die liebe Verwandtschaft nach dem letzten Glas Wein das Wohnzimmer verlasen hat, dann hol' ich mir ein Pils aus dem Kühlschrank und machs mir vor dem fernseher im Sessel bequem.

Das Wohnzimmer ist das Zentrum jeglicher familiärer Aktivität. Diesen Zusammenhalt bezieht es aus einem metaphysischen Magnetismus, der zumeist durch extrem rechteckige Gebilde hervorgerufen wird. Der Vorteil des Rechteckes liegt dabei in seinen zumeist ungleichen Seiten, besonders an den Ecken. Zwischendrin all die Gesichter voller Anspannung, Zurückhaltung, Angst, Abwehr, Gleichgültigkeit, Nervosität. Ein Gebilde von gewaltiger, explosiver Natur. Zum Zerbersten gespannt, wie ein wildes Pferd.