Sozialhilfe
Bewertung: 2 Punkt(e)
Wir haben einen Freund, der von Sozialhilfe leben muss. Er war den größten Teil seines Lebens selbstständig gewesen, und hat schon keine Sozialversicherungs-Mitgliedschaften mehr. Arbeitslosigkeit bedeutete für ihn sofort das wirtschaftliche Aus. Als wir ihn kennenlernten, stand er sogar kurz vor der Obdachlosigkeit - wir boten ihm spontan an, bei uns einzuziehen. Doch dieser Kelch ist an unserer jungen Freundschaft nochmal vorübergegangen. Er hat wieder eine eigene Wohnung.
Gelegentlich, bei gutem Wetter regelmässig, setzt er sich mit seiner Gitarre in die Fußgängerzone, und legt seinen Hut auf das Pflaster: als Strassenmusikant verdient er sich was dazu. Er setzt sich immer eine Grenze, meistens 15 oder 20 Euro. Dann hat er was für sich und für seinen Hund zum essen.
Die Freundschaft ist schwierig - denn meine Frau und ich gehören zu den »Besserverdienern«. Wir geben für unsere Lebenshaltung gut und gerne das 15-fache aus, was unserem Freund überhaupt an Geld zur Verfügung steht. Es ist da manchmal sehr schwer, taktvoll zu bleiben. Jegliche finanzielle Hilfe von uns lehnt er tapfer ab. Wenigstens hat er einen Wohnungsschlüssel von uns angenommen, damit er mal Fernsehen kann, Radio hören kann, sich was zu essen kochen kann - wenn sein Stromguthaben mal wieder verbraucht ist, so um den zwanzigsten jedes Monats. Und damit er seinem Hund Futter geben kann, und sich durch unsere Bibliothek lesen.
Er bewahrt sich seine Würde mit ungeheuerer Kraft und Konzentration, widersteht dem Sog zum Abgleiten. Dafür achten wir ihn ungeheuer hoch.