Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Selbstfolter«
Liquidationsdefensive schrieb am 2.10. 2002 um 21:17:15 Uhr zu
Bewertung: 5 Punkt(e)
Man sollte ja meinen, Selbstfolter erfordere einen gewissen Mut, weil sie damit verbunden sei, sich einen ganz üblen Schmerz zuzufügen. Das ist aber nicht so, wenn es einem gelingt, diese Folter schön gleichmäßig und langgestreckt über Jahre, Jahrzehnte oder ein ganzes Leben zu verteilen, so dass jeder Tag immer wieder seinen kleinen selbstbereiteten Nadelstich hat, immer wieder ein kurzzeitiges Abschnüren jeglichen Entspannungs- und Glückseligkeitsversuches. Dann braucht es gar keinen Mut, weil man es kaum merkt und von Schmerz nicht die Rede sein kann. Da schaut man dann in Bildschirme hinein, in dicke nicht enden wollende Bücher, zu deren Lektüre man sich leichtfertig entschieden hat und traktiert sich mit selbstauferlegten Pflichten, nimmt den Hörer vom klingelnden Telefon, obwohl man ahnt, ja weiss, dass am anderen Ende der Wahnsinn, die Dummheit, der brutalste Redeschwall, die Dreistigkeit und der Anspruch lauert, um einen fertig zu machen und alles dafür zu tun, dass man ein Stück mehr die Welt hasst, freilich ohne böse Absicht und ganz harmlos, aber es ist Teil der umfassenden Selbstfolter, jeden Anspruch, jede offene und versteckte Forderung der Zivilisation nur unter dem Blickwinkel des Angriffs und der Feindseligkeit betrachten zu können. Überhaupt ist der Kern der Selbstfolter der falsche gegen sich selbst gerichtete Blickwinkel, eine pathologische Kunstfertigkeit der Wahrnehmung von aggressiver Verschworenheit im Alltag. In Wirklichkeit ist die Umwelt natürlich völlig gleichgültig gegen einen, aber das besessene Talent der Selbstfolter wird dies niemals wahrhaben wollen. Immer die Hast, die hektische Verfolgung von Zielen, die Selbsteinhämmerung von Aufgaben, der Glaube an die Todesähnlichkeit des Entspanntseins, überall Stress - Arbeit, Freizeit, Mitmenschen...
Zella-Mehlis schrieb am 29.2. 2016 um 22:42:04 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Der Dombaumeister und Buchdrucker Matthäus Roritzer veröffentlichte im Jahre 1486 ein in seiner Offizin gedrucktes Werkchen, die Grundregeln des gothischen Stils enthaltend. In diesem Buche sagt Roritzer, daß er die mitgetheilten Regeln nicht aus sich selbst geschöpft habe, sondern es sei alle dieses: „schon früher durch die alten, der Kunst Wissende, und fürnehmlich durch die Jungkherrn von Prag so erklärt worden.“ Diese Stelle in einem 1486 gedruckten und von einem berühmten Dombaumeister verfaßten Buche erregte begreiflicherweise großes Aufsehen und rief die eingehendsten Untersuchungen hervor. Nachdem Ch. Ludw. Stieglitz auf Roritzer’s Buch aufmerksam gemacht, beschäftigte sich Sulpiz Boisserée zunächst mit der Frage, wo und in welcher Weise die Jungkherrn thätig gewesen seien. Von der richtigen Ansicht ausgehend, daß an den Bauhütten stets einige erfahrene Männer als Lehrer wirkten, welche von Ort zu Ort reisten, um die Prinzipien des Stiles und die Reinheit der Disziplinen aufrecht zu erhalten, glaubte er in den Prager Meistern dergleichen Lehrer erkennen zu dürfen, weil Roritzer sie als „alte der Künste Wissende“ bezeichnet hatte. Nun entdeckte Boisserée in den Münsterbaurechnungen zu Straßburg die Taufnamen „Johann und Wenzel“, jedoch ohne Angabe einer näheren Bezeichnung, und vermuthete, weil der letztere Name einen spezifisch böhmischen Klang hat, auf die Jungkherrn gestoßen zu sein. Er wandte sich hierauf an den als Archäologen bekannten Professor E. Wocel in Prag mit der Anfrage, ob sich daselbst keine Nachrichten über die Jungkherrn vorfänden. Wocel, Philolog von Fach, durchblätterte die Verzeichnisse der Lukasbruderschaft, fand hier die Namen: Johann, Wenzel und Peter Panicz, und säumte nicht, weil das böhmische Wort Panicz dem deutschen Junker und dem französischen Damoiseau (Sohn des Herrn) entspricht, die Panitze mit den Jungkherrn zu identifiziren. Diese Vermuthung stellte sich bald als ein Irrthum heraus, indem die Panitze schon um 1360 verstorben waren, während die Junker erst nach 1400 auftraten. Irgend ein sicheres Resultat haben die bisherigen Untersuchungen nicht ergeben, ein Denkmal, welches den Junkern zugeschrieben werden könnte, ist nicht aufgefunden worden und scheint auch, falls nicht die Söhne Peter’s diesen Namen angenommen haben sollten, keines vorhanden zu sein. Gewiß ist nur, daß der von Roritzer angeführte Name kein Familiennamen, sondern eine von jenen Personalbezeichnungen ist, welche in der Kunstgeschichte häufig vorkommen und die man Spitznamen zu nennen pflegt. Bei fernern Untersuchungen darf man nur Roritzer’s Worte „Jungkherr von Prag“ zu Grunde legen: eine aus Eger stammende Steinmetzfamilie Juncker gab es nie, weder eine bürgerliche noch eine adelige.
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