Schleifer
Bewertung: 1 Punkt(e)Als Schleifer habe ich acht Jahre gearbeitet, ab 1980. Schülerjob, später Studentenjob und sogar 7 Monate Vollzeit am Stück, '85 auf '86 war das. Eine Stahlfedernfabrik, wo ich in der Schleiferei gearbeitet habe. angefangen mit 7 Mark Stundenlohn, das ging dann irgendwann bis auf 12,50, glaube ich. Den lieben langen Tag, oder abends 2, 3 Stunden, zweimal die Woche Stahlfedern in einen rotierenden Teller mit vorgestanzten Löchern stecken, und das unter einem ohrenbetäubenden Lärm, gegen den man Schallschützern bekommen konnte - konnte, wohlgemerkt, so streng waren die Arbeitsrichtlinien damals noch nicht - aber da bekam ich immer so schwitzige Ohren von. Außer mir und immer noch einigen vergleichbaren Aushilfsgestalten waren nur ungelernte und mental Schwerbeschädigte in der Abteilung mit ihren recht einfachen Tätigkeiten beschäftigt, angeleitet von einem Vorarbeiter, der als einziger eine gewisse Qualifizierung vorweisen konnte und der die Biervorräte der Abteilung verwaltete, die hinter dem Schaltkasten der größten Maschine versteckt waren, einer Kugelstrahlmaschine, die noch aus der verrostetsten Mantelschließe aus der Merowingerzeit einen gesichtslos neuwertigen Modeschmuck gemacht hätte - winzig kleine Stahlkügelchen, ganz unbeschreiblich einmalig der Sinneseindruck, wenn man ein Pfund von ihnen durch die Finger rinnen ließ. Ich hatte einen recht leichten Stand dort, obwohl ich sicher nicht zur Leistungsspitze zu zählen war; je nun, mein Vater war der Personalchef dieser Firma, ein Koordinator dieser 200köpfigen Belegschaft. Trotzdem habe ich davon weder sonderlich profitiert, sieht man von der relativen Arbeitsplatzgarantie ab, noch fiel von seinem durchaus ambivalenten Image ein zu großer Schatten auf mich, der in den Jahren (bei aller heimlichen Liebe für ihn) der Fabrikarbeit zugleich durch die große Phase der Fundamentalopposition gegen alles und jedes, nicht zuletzt aber meinen Alten ging, weshalb es schwer war, einen Keil zwischen uns zu treiben: Den konstatierte ich einfach a priori und war durch diese sophistische Finesse vor Sippenhaftung geschützt. Rückblickend kann ich sagen, ich hab den Job bei aller ihm innewohnenden Stupidität ganz gern gehabt, und natürlich die 3-400 Mark, die er jeden Monat in meine Kassen spülte. Oft blaugemacht habe ich jedenfalls nicht, das wären jedes Mal mindestens fünf Päckchen Zigaretten gewesen, die mir da durch die Lungenlappen gegangen wären. Zwischendurch ein Gang zum Kaffeeautomat (dabei durch die Maschinenhalle spähen, ob 'Der Alte', the Big Boss 'bove us nicht seine klischeemäßigen Zigarrenschwaden durch die Abteilungen zog, mal 'ne Cola ziehen, Schwätzchen mit den kommunistischen Sizilianern, der Lecce-Connection in der Lackiererei, auf der ersten Etage, Wicklerei, einen Container Federn abholen? Gerne, wieder 'ne Viertelstunde rum. Die Fingerkuppen waren natürlich immer etwas zerschnitten die ganzen Jahre, auch dafür gab es Schutz, Fingerlinge oder Handschuhe, aber bei den kleinen Pisselsfedern, die da oft zu stecken waren, war das eher hinderlich, zudem war da wieder das Schwitzproblem... Als ich dann Konrad kennenlernte, habe ich den Job recht bald an den Nagel gehängt und in den Buchhandel gewechselt. Auch für ungefähr sieben Jahre. Aber rückblickend war zumindest die Arbeitszeit in den ersten 7 Jahren meines Berufslebens eine glücklichere.