SalvadorDalí
Bewertung: 6 Punkt(e)
Manche der Bilder SalvadorDalís haben wir im Kunstunterricht endlos lange durchgehechelt. Ich erinnere mich an eins, das 'Die Metamorphose des Narziss' hieß, auf dem sich ein Jüngling, welcher, so meine ich mich zu erinnern, ein Ei anstelle des Kopfes hatte, sein geschickt im Wasser gebrochenes Konterfei betrachtete. Es addierte sich dann zu einem geheimnisvollen dritten Bild, das ich nie sah, genau wie SalvadorDalís späte Auferstehungen und Kruzifikationen in Technorama, die plötzlich in ein Atommodell zu kippen hatten. Da war ich immer zu blödäugig für. Und genauso doof stand ich in jenen Jahren vor dem Stereoskopiekasten in der Musterungsbehörde, wo ich auf Geheiß eine Fliege in einer Zahl zu sehen hatte, oder umgekehrt, so etwas ähnliches wie die 'Magischen Bilder', oder wie die hießen, diese Bücher mit dem Testbildrauschen, hinter dem sich ein Kelch, ein Dinosaurier oder ähnliches aufklappte, hat bei mir nie richtig funktioniert. Auf der Behörde haben sie mir meine Blödsichtigkeit aber genau so wenig abgenommen wie meine ehrfurchtgebietende Liste von Attesten, und immer, wenn ich vor einem dieser klug zusammenkomponierten Vexierstilleben Dalis sehe, überfällt mich eine Streßausschüttung, als hinge von meiner korrekten Unkenntnis dieser Sehweise meine Zukunft als freier Bürger ab. Lieber mag ich den Daherreder SalvadorDalí, der zum Beispiel einem Interviewer auf die Frage nach dem Sinn der überdimensionierten Portalfiguren in Dalis prunkendem neuen Anwesen sagte: »Die Eier sind ein Symbol der Fruchtbarkeit, und die Brote dienen dazu, die Leute zu kretinisieren!« Hat mich als Kind sehr beeindruckt, ich verknüpfte das immer mit der Grimmschen Sagensammlung, nach der in irgendeiner versunkenen Stadt, Vineta oder dem Almerich vielleicht, die Menschen mit Weißbrot ihre goldenen Stufen gewischt hätten, worauf die ganze Bagage auch auf das jämmerlichste versunken sei. Sowas ähnliches versucht ja auch Des Esseintes, der Huysmans-DesEsseintes, der Welt abzutrotzen, in den alten Zeiten, als das Vileda noch nicht erfunden war. Brot, so ein Blödsinn. Genau wie die Brot statt Böller–Kampagne jedes Jahr um diese Zeit, wer hätte je gehört, daß Brot knallt? Grob gesprochen könnte man sagen, um das Stichwort denn auch mal richtig vollzuschmeißen, daß sich wie in vielen Dingen die europäische Liebhaberkultur in zwei Gruppen gliedert, die SalvadorDalí-Poster gehabt habenden und die SalvadorDalí-Poster nicht gehabt habenden. Mike Oldfield-Nichtgehörthabende. Ruskingelesenhabende und Nichtgeravedhabende. Genau wie Harzernichtgegessenhabende und Niegeblastethabende. Tüdellülü... (Eigentlich wollte ich ja die opulente Geschwätzigkeit eines durchschnittlichen SalvadorDalí-Gemäldes abbilden, aber die Sache zieht sich, irgendeine brennende Giraffe müsste noch ins goldene Dreieck des Betrachters...)
Ach, in Hans Beimers Wohnung hängt schon seit Helgas Zeiten ein SalvadorDalí : ein Blatt aus dem Don Quichote. Der hing auch immer bei meinem Onkel, diese unsignierten oder pseudonumerierten Dalidrucke waren ja in-fla-tio-när, und bei Carsten Flöter praktisch nebenan hing 'mein' Warhol–Fassbinder–Querelle, unter ihm las Robert Engel aus der 'Geschichte der Empfindlichkeit', hach Gott, hat mich ein paar Jahre durchaus stark angeweht, die Lindenstrasse, kein Wort mehr davon. Und für spinnenbeinige Elefanten und halluzinogene Tiger bin ich scheint's auch schon zu alt. Ich seh es wirklich mit Bedauern kommen: so ab 40 verengt sich der Kanal, und was bis dahin kein Einlaß ins Tempelchen des Verständnisses gefunden hat wird es, sag ich mal, schwerer haben, durchzugelangen. Selbstschutz eines langsamer taktenden Prozessors. Und SalvadorDalí und LuckyLuke, die opera omnii der Fugs und Teilhard de Chardins werden sich mir vermutlich in diesem Leben zum Beispiel nicht mehr in ihrer ganzen Tiefe erschließen, mutmaße ich mal. Und am Ende kommt doch meist ein zuviel, nicht ein zu wenig dabei heraus.