Reaktion
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Gleich wie viele und welche Coping-Dimensionen als Ergebnis der Faktorenanalyse zusammengefaßt
werden, es sind und bleiben letztlich Konstrukte. Es wäre folglich falsch davon auszugehen, daß
Personen, die sich in einer durch Streß belasteten Lebenssituation befinden, quasi »chemisch-rein«, nur
eine Coping-Strategie verfolgen. Vielmehr belegen empirische Ergebnisse, daß mehrere
Coping-Strategien zur Bewältigung belastender Lebenssituationen angewandt werden. Vieles spricht für
die Einschätzung, daß Coping-Verhalten stark vom jeweiligen situativen Kontext abhängt (Ilfeld, 1980).
Auch wäre die Annahme sehr in Frage zu stellen, daß das Verfolgen einer bestimmten Coping-Strategie
das Produkt eines rationalen Evalutionsprozeß der betroffenen Person sei. Wie bereits erwähnt sind die
Persönlichkeitsstrukturen eines Individuums Einflußgrößen, die nicht ignoriert werden können
(Folkman/Lazarus, 1980). Daher ist es durchaus von Interesse, den Zusammenhang zwischen
bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und der jeweiligen Dominanz verschiedener Coping-Strategien zu
untersuchen. Die Frage nach der Wirksamkeit unterschiedlicher Coping-Strategien ist ein schwieriges
Feld und bislang in der Forschung eher uneinheitlich behandelt worden. Um die Wirksamkeit
verschiedener Coping-Konzepte ermitteln zu können, müßten zunächst einheitliche Kriterien formuliert
werden, anhand derer der entsprechende Erfolg einer Coping-Strategie gemessen werden könnte.
Einigkeit besteht jedoch darin, daß die Wirksamkeit einer Coping-Strategie von der Art der Streß
erzeugende Situation abhängt. In einer Studie von Pearlin und Schooler (1978) wird darauf verwiesen, daß
individuelle Coping-Strategien im Hinblick auf die Bewältigung von gesundheitsgefährdenden Belastungen
in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich wirksam sind. So können bestimmte
Coping-Strategien, die im Bereich der Partnerschaft durchaus emotional belastende Situationen
verhindern oder eindämmen, im Bereich der Kindererziehung oder auf beruflicher Ebene aber keine oder
nur geringfügige Effekte aufweisen. Solche Ergebnisse mögen letztlich im Hinblick auf allgemeingültige
Aussagen über die Wirksamkeit verschiedener Coping-Strategien unbefriedigend bleiben. Sie machen
jedoch deutlich, daß sowohl individuell unterschiedliche psychische Dispositionen sowie der situative
Kontext nicht ausgeblendet werden können, wenn man sich mit dem Thema Streßbewältigung
auseinandersetzt. Dennoch kann auf sehr allgemeiner Ebene wird davon ausgegangen werden, daß
Verdrängungsstrategien (z.B. Distanzierung oder Flucht/Vermeidung) in frühen Phasen der
Auseinandersetzung mit einem traumatischen Ereignis effektiv sein können (Stroebe, 1992). Auf lange
Sicht stellen sie sich als ungeeignet dar, um mit schwierigen Lebenssituationen fertig zu werden
(Stroebe/Stroebe, 1995). Pennebaker untermauert mit seiner »theory of inhibition« diese These, indem er
darauf hinweist, daß fehlende oder mangelhafte Auseinandersetzung mit traumatischen
Lebensereignissen sich langfristig negativ auf die Gesundheit niederschlägt (Pennebaker et al, 1988). In
der Copingforschung nimmt der Themenkomplex der sozialen Unterstützung (social support) eine
exponierte Stellung ein. Innerhalb des Forschungsprozesses zu diesem Thema wurden zahlreiche
Studien vorgelegt, die ganz unterschiedliche Facetten sozialer Unterstützung herausarbeiteten. Während
man in früheren Arbeiten ausschließlich von positiven Effekten von sozialer Unterstützung auf die
Gesundheit von streßbelasteten Personen ausging, werden in neueren Arbeiten auch negative
Einflußgrößen von sozialen Beziehungen thematisiert.Handlungsbezogene
Bewältigungsformen:„Ablenkendes Anpacken” : Ablenken oder Vergessen von krankheitsbedingten
Problemen wird in vertrauten Tätigkeiten gesucht. („Ich stürze mich in meine Arbeit [in mein Hobby], um
die Krankheit zu vergessen.”) „Altruismus” : Eigene Wünsche, Bedürfnisse, Ängste etc. werden hinter die
von anderen zurückgestellt, um sie nicht mehr spüren zu müssen. („Das Wohlergehen anderer [z. B.
meiner Angehörigen] ist mir wichtiger, als meiner Krankheit nachzuhängen.”) „Aktives Vermeiden”:
Diagnostische Schritte oder therapeutische Maßnahmen werden unterlassen, obwohl zumindest eine
gewisse Einsicht in deren Notwendigkeit besteht, da sie als zu belastend oder verunsichernd erlebt
würden. („Ich schiebe meine Besuche beim Arzt hinaus oder befolge seine Anordnungen nicht so, wie ich
eigentlich sollte.”) „Kompensation”: Durch Konsumieren (z. B. Kaufen, Essen, Alkohol) wird eine
Spannungsreduktion erreicht. („Wenn es mir schlecht geht, kaufe ich mir etwas Besonderes [Essen,
Kleider, Bücher etc.]. Eine Zigarette oder ein Glas Wein machen manches erträglicher.”)„Konstruktive
Aktivität”: Es werden subjektiv hoch gewertete Handlungen (kreative Leistungen) ausgeführt, die evtl. vor
der Krankheit zurückgestellt werden mußten. („Ich nehme mir letzthin mehr Zeit, um etwas Aufbauendes
zu tun [etwa vermehrt einem Hobby nachgehen, Briefe schreiben, Bücher lesen etc.].”)„Sozialer
Rückzug”: Es erfolgt ein aktiver Rückzug aus dem vertrauten sozialen Umfeld, um so nicht auf andere
Leute eingehen zu müssen und/oder um Zeit für sich (z. B. zum Überdenken, Erholen) zu gewinnen. („Ich
brauche meine Ruhe. Ich möchte mich mehr mit mir selbst befassen und zu mir selbst
finden.”)„Zupacken” : Selbstverantwortliches, aktives Angehen der krankheitsbezogenen Situation und
ihrer Probleme. („Während der Abklärung und Behandlung trage ich selbst das Mögliche bei, sei dies bei
meinem Arzt oder anderswo.”)„Zuwendung” : Die Möglichkeit sich auszusprechen, verstanden zu sein
und sich aufgehoben zu fühlen wird als hilfreich eingeschätzt und angestrebt. („Ich suche den Beistand
und das Gespräch mit mir nahestehenden Menschen.”)„Konzentrierte Entspannung”: Ablenken von der
Krankheit durch innere Sammlung und Entspannung durch Körperübungen (z. B. autogenes Training,
Yoga, Meditation). („Entspannende Körperübungen [autogenes Training, Yoga etc.] sind mir in der
Krankheit eine große Hilfe.”)Kognitionsbezogene Bewältigungsformen: „Ablenken”: Der
Auseinandersetzung mit der Krankheit wird dadurch ausgewichen, daß die Aufmerksamkeit auf andere
Inhalte gerichtet wird. („Es gibt Dinge, die mir wichtiger sind als die Krankheit und die mir helfen, mich
davon abzulenken.”)„Akzeptieren” : Die Krankheit wird als schicksalhaft, vorbestimmt und unabänderlich
mit mehr oder weniger Gelassenheit hingenommen, man versucht das Beste aus der Situation zu
machen und mit der Krankheit zu leben. („Ich denke, daß ich die Krankheit hinnehmen kann und sie mit
Fassung trage.”)„Dissimulieren”: Verharmlosen der momentanen Krankheitssituation, indem
offensichtliche Gegebenheiten ignoriert (verleugnet) oder bagatellisiert (heruntergespielt) werden. („Ich
wüßte nicht, warum ich beunruhigt sein sollte, es geht mir eigentlich ganz gut, und es ist nicht halb so
schlimm, wie alle meinen.”)„Haltung bewahren” :Verbergen des eigenen Betroffenseins durch die
Krankheit vor sich und vor anderen, Anstreben von Selbstkontrolle. („Es ist mir wichtig, mich
zusammenzureißen, Haltung zu bewahren.”)„Problemanalyse”: Gezielte kognitive Analyse aller
zugänglichen Informationen über die Krankheitssituation. („Ich versuche mir zu erklären, was mit mir und
meiner Krankheit wirklich los ist.”)„Relativieren” : Versuch, sich mit der eigenen Krankheitssituation
abzufinden, indem diese bewußt mit schlimmeren Krankheiten oder Schicksalsschlägen anderer
Menschen verglichen wird. („Wenn ich an die Leute denke, welche wirklich Schweres zu tragen haben,
geht es mir noch relativ gut.”)„Religiosität” Tröstender und schützender Rückhalt im Glauben. („Mein
Glaube an Gott und an die Vorsehung gibt mir den nötigen Halt.”)„Rumifizieren”: Quälendes,
grüblerisches, zwanghaftes Hin- und Herüberlegen der Krankheitssituation, ohne zu einer Lösung zu
kommen. („Meine Gedanken drehen sich immer wieder um die Krankheit, ohne daß ich dabei zu einem
Ergebnis komme.”)„Sinngebung” : Der Krankheit wird ein tieferer Sinn (z. B. Chance zu veränderter
Lebenshaltung) zugeordnet. („Die Krankheit hilft mir, eine neue Aufgabe oder eine Chance in meinem
Leben zu sehen.”)„Valorisieren”: Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls durch die Erinnerung an
erfolgreich gemeisterte Situationen, an Situationen, die persönliche Anerkennung brachten, durch die
Besinnung darauf, wie gut man mit der Krankheit umgeht. („Diese Krankheit bewältige ich ebenso gut,
wie schon manch anderes; es gelingt mir eigentlich gut, mit den neuen Schwierigkeiten fertig zu
werden.”)„Humor”: Herangehen an die Krankheitssituation mit Humor. („Wenn ich mit etwas Humor an die
Sache herangehe, kann ich sogar über mich selbst lachen.”)Emotionsbezogene
Bewältigungsformen:„Hadern/Selbstbedauern”: Die momentane Krankheitssituation wird als unverdient
und ungerecht empfunden, entsprechend wird mit dem Schicksal gehadert oder der eigene Zustand
beklagt. („Ich frage mich, warum es gerade mich treffen mußte!”)„Emotionale Entlastung” : Reduktion der
inneren Spannung und momentane Entlastung durch den offenen Ausdruck der durch die
Krankheitssituation ausgelösten Gefühle sich selber oder einem Partner gegenüber. („Es kommt vor, daß
mir ein Wutausbruch, Weinen oder auch mal Lachen Erleichterung bringen.”)„Isolieren/Unterdrücken” :
Nichtwahrnehmen bzw. Nichtzulassen von der Krankheitssituation angemessenen Gefühlen. („Ich bin
selbst erstaunt, wie wenig mich die Krankheit berührt.”)„Optimismus”: Zuversichtliche Haltung bei aller
Einsicht in die momentane Belastung. („Mit etwas Glück kommt alles wieder in Ordnung. Ich bin und
bleibe Optimist.”)„Passive Kooperation” : Sich dem behandelnden Arzt/Team im Wissen um deren
fachliche und menschliche Kompetenz zuversichtlich anvertrauen. („Ich weiß, daß ich bei den Ärzten in
guten Händen bin.”)„Resignation/Fatalismus” : Aufgeben von Hoffnung, sich der Krankheitssituation
mutlos ergeben. („Ich habe das Gefühl, daß alles keinen Sinn mehr hat, ich habe die Hoffnung
verloren.”)„Selbstbeschuldigung” : Im Bemühen, sich den momentanen Krankheitszustand besser
erklären zu können, wird die Verantwortung dafür dem eigenen Verhalten zugeschrieben. („Ich werde das
Gefühl nicht los, daß ich wohl selbst schuld an meiner Krankheit bin und ich es daher nicht besser
verdiene.”)„Schuld zuweisen/Wut ausleben”: Enttäuschung und Verärgerung über die eigene
Krankheitssituation werden dadurch entschärft, daß echte oder scheinbare Mängel in der Betreuung oder
in den momentanen Lebensumständen zum Anlaß genommen werden, anderen Schuld zuzuschreiben
oder an ihnen Wut auszulassen. („Manchmal packt mich eine große Wut auf die anderen.”)