Pyrgo

Wir sitzen vor der Atlantis-Bar direkt an der Radialen St. Exupery.
An dieser Radialen endet die Stadt. Auf der anderen Straßenseite sind Container 5-stöckig gestapelt. Automatische Kräne fahren sehr langsam umher.
So früh am Morgen ist es noch windstill, im Morgenlicht leuchtet der gläserne Himmel türkisfarben.
Es ist noch kalt und wir wärmen uns mit »Chicha Gaia« und essen dazu siebeneckige Quiche Atlantis (mit eingebackenem Krebs - und Krabbenfleisch).
Chicha Gaia ist Schnaps, im Atlantis nicht der billige, der hier unten aus Gaia-Mais fabriziert wird, sondern der im Orbit, im stärksten Sonnenlicht vergorene und gereifte, in neben der GAIA ausgesetzten gläsernen Fässern.
Wir, das sind Anna, Cato und ich.
Cato haben wir am Busbahnhof gefunden. Dort sind wir nachts gerne und halten Ausschau nach Passagieren.
Jede Nacht trifft dort ein ferngesteuerter Bus ein, oft ohne irgend einen Menschen an Bord, manchmal, wie neulich, einem einzigen: Cato.
Wie jeder. der in Pyrgo ankommt, meinte sie, gleich weiterreisen zu müssen.
Sie zu überreden, bei uns, im billigen »Neopol« zu wohnen, war leicht.
Wie bei jedem, der in Pyrgo ankommt, schlägt Zuversicht schnell, zu schnell um in Resignation.
Cato glaubt zu träumen, glaubt, in jeder Sekunde aus einem Traum erwachen zu müssen, eingemauert dann in einem Bunker, fern in Raum und Zeit. Cato ist etwas verstört. Man mißbrauche sie in Präkognitions - Experimenten, sagt sie.
»Iß, trink, sieh uns an.« sagen wir. »Sieh uns, fühle uns!« Cato lächelt zaghaft.
Wird mutiger und schaut nach oben, will den wahren Himmel über dem gläsernen sehen.
Jeder Ankömmling will in den ersten Monaten immerzu nach oben schauen, will den ungeheuren Anblick.
Bleibe bei uns, Cato, wir werden dich lieben.

Nicht nur die Stadt Pyrgo, auch das ganze Umland von Pyrgo ist von von einem glitzernden Himmel aus Glas überwölbt.
Dieser Himmel wird von einem Fachwerk, einem Gewebe aus Pfeilern und Streben getragen.
Sieben „Radiale“ teilen die Stadt; das Zentrum von Pyrgo befindet sich zwischen den benachbarten Radialen „Kobo Abe“ und „St.Exupery“.
In Pyrgo herrscht ein Wind, in den Radialen geradezu ein Sturm, der erst nach Mitternacht zur Ruhe kommt.
Im Lauf des Vormittags übertönt der Sturm nach und nach allen anderen Lärm der Stadt.
Der Sturm auf der „Kobo Abe“ trägt mich noch eine Querstraße weiter; jetzt biege ich ab: hier, im Windschatten, ist mein zur Zeit bevorzugtes Café „Ark Sakura“.
Ich trinke meinen Galao - aus einem Glas, das wie alles in Pyrgo siebeneckig ist - schaue hinüber zur „Kobo Abe“, wo Passanten sich dem Sturm entgegenstemmen, während ihnen das rosa Papier der „Pyrgo Post“ um die Köpfe fliegt.

Es ist 7 Uhr, das »Yteke« öffnet.
(»Café-Bar + Deli Yteke«).
Noch ist der Lem Square menschenleer. Die Sonne wirft ein Muster aus Licht und Schatten über den weiten Platz - das kommt von dem ganz Pyrgo überwölbenden gläsernen Dach.
Man erkennt man sie schon aus der Ferne, die zwei alten Damen, in Gewändern wie buddhistische Nonnen.
Von der Radialen Mercier sind sie abgebogen, haben schräg den Platz überquert, sind im Schattenring des großen Denkmals, einer Darstellung der Arche Gaia, verschwunden.
Jetzt, noch gehen sie im Schatten, schon tauchen sie wieder ein ins Licht, jetzt stehen sie vor dem »Yteke« und zögern. Wie die Gewänder leuchten!
Sie betreten die Terrasse, stellen zwei schräg an den Tisch gekippte Stühle gerade, wischen sie sorgfältig ab und setzen sich.
Es ist schon angenehm warm. Kaum Wind: der »Upwash«, der täglich durch Pyrgo fegt, ist noch nicht erwacht.

Schweigsam sind die beiden.