Privatier
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Endlich nach langen Jahren des karrieristischen Niemandslandes habe ich eine Berufsbezeichnung für mich gefunden! Ich kam immer in Verlegenheit, wenn ich bei Ämtern oder Marktforschern nach meiner Profession gefragt wurde, meistens druckste ich ein vernuscheltes 'Buchhändler' heraus, was ich ja tatsächlich vor vielen Jahren mal unter Zähren und Fäusteballen gelernt habe; oder ich ermannte mich zur Aussage 'Hausmann', was angesichts meines eher lauen Putz - und Kocheifers eine Beleidigung für jeden aufrechten Mann dieser Profession wäre. (Letzte Woche erst mußte ich unsere Zugehfrau fragen, wo wir denn eigentlich die Staubtücher hätten, nach 5 Monaten in der neuen Wohnung schon etwas peinlich) Naja, aber heute jedenfalls habe ich mein Label bekommen; wir hatten Besuch von dem Anlageberater einer dieser fluchwürdigen Banken, eine rasierwassertriefende Kreuzung aus Henkel und Mooshammer, der versuchte, letztlich erfolgreich, mir einen Rentenversorgungsplan schmackhaft zu machen (»Machen wir uns nichts vor, die Riesterrente ist ein Luftballon für die untere Mittelschicht«; ich hab es noch im Ohr) und während ich gelangweilt und unverständig dasaß im verstunkenen Iggy - Pop - T - Shirt, immer aufmerksam schauend, dabei aber in Gedanken Blastereinträge und avisierte Scherzartikelkäufe wägend, füllte er Blatt um Blatt mit seiner akkuraten Handschrift und einem Füller, der sicher teurer war als unser ganzes Tintenstrahl - Museum. Als er fertig war, reichte er mir die Zettel zur Durchsicht, ich habe kein Wort begriffen, begreifen wollen, nur dieses eine Wort ist mir hängengeblieben: bei der Berufsbezeichnung hatte er ungefragt 'Privatier' eingegeben - und eine charmantere Umschreibung für 'wohlbestallter Faulenzer' kann ich mir nicht denken. Ich habe immer Visitenkarten gehasst, aber vielleicht lasse ich mir jetzt mal ein paar drucken, nur um dieses Wort amtlich zu machen. Privatier, das klingt nach Leben im Schlafrock, und was kann es schöneres geben?
(»Each man has his way to betray the revolution. / This is mine.« Leonard Cohen)