Knabenurin
Bewertung: 14 Punkt(e)Das heutige Konzert des Knabenchors Hannover in der Knechtstedener Klosterbasilika belegte eindrücklich, daß dieser Chor zu den besten seiner Art in Deutschland gehört. Vor allem das geistliche Konzert für Favorit– und Complementchor 'Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen', SWV 408 war überwältigend. Das Publikum war, nicht ganz untypisch bei Veranstaltungen dieses Zuschnitts, mehrheitlich aus Freunden der evangelischen Kirchenmusik zusammengesetzt, was leider auch in einem eher vernachlässigt zu nennenden Gesamtbild zahlreicher Anwesender seinen Ausdruck fand. Auch einige Familien mit Kindern fanden sich ein, hatte es doch vor der Aufführung eine Stunde lang 'Chorknaben zum Anfassen' gegeben. Und auch die ewige Handvoll Urninge war anwesend, mehrenteils Männer in ihren 50ern, erkennbar an Menjoubärtchen und randlosen Brillen, die ausnahmslos die Plätze mit guter Einsichtsmöglichkeit gewählt hatten. Wäre ich für den Augentrost in ein Konzert gegangen, ich hätte vermutlich eher ein Konzert der Don Kosaken gewählt. Leider folgte dem grandiosen Schütz-Teil eine etwas einschläfernde Solokantate für Bassbariton von Stölzel, und als es dann zu der von mir wenig geschätzten Bachkante BWV 131 'Aus der Tiefe rufe ich Herr zu Dir' ging, erfasste mich ein nachmittäglicher Dämmer, der aufgrund der erfreulichen kirchenkonzertanten Gepflogenheit des Nichtklatschens zwischen den Beiträgen nahtlos in ein Träumen überging, das plötzlich von einem ergreifenden Knabensopransolo lind umspielt wurde. Und da war es mir als gösse eine huldvolle Hand eine Schale, was rede ich, einen Kelch warmen duftenden Knabenurins über mir aus, was aufgrund der invasiven Kraft, welche gerade jene Träume des Halbdämmers, die unversehens mit in die Wirklichkeit des Erwachens geholt werden, dazu führte, daß ich mir während des anschließenden vorzeitigen Abendbrotes in der benachbarten Klosterschenke mehrere Mal verstohlen über meine sich lichtende Schädelkalotte strich.