Idioten
Bewertung: 2 Punkt(e)
Ich sitze auf einem Stuhl in unserem Foyer und lese. Ich hasse diesen Tag, da ich gezwungen werde 3 Schulstunden zu warten. Auf Unterricht bei einem Lehrer dessen Stunden man einzig und allein aus Mitleid besucht. Viel Zeit zu warten. Ich sitze in einer Ecke aus der es gut möglich ist, das gesamte Foyer zu überblicken, ich mag solche Plätze. Viel Zeit zu denken, das Buch, eine schwarze Parodie über den Amerikanischen Traum. Vereinzelt huschen Schüler quer durch das Foyer, auf der verzweifelten Suche nach dem richtigen Raum. Sie entgehen jedoch nicht meiner 100% sicheren Sofortanalyse: ?Alles Trottel.?
Wie ist es, als Mensch auf der Welt zu sein, mit dem primären Ziel von niemandem wahrgenommen zu werden? Jeder andere Mensch mit aufrechtem Gang verkörpert eine Gefahr für dieses geprügelte Wesen, provokante Gesten, lautes lachen, die reinste Qual.
Ich sehe immer wieder die gleiche Person über die Bühne humpeln. Er ist eine Witzfigur, er macht sich zu einer Witzfigur unserer Zeit. Sein Auftreten, sein Aussehen, seine Gesten, seine Artikulation. Wie kann man so weltfremd sein? In welche Realität hat er sich verkrochen? In welchem Loch verbringt er seine Zeit bis zum nächsten qualvollen Gang zu dieser Burg, die Schutz bietet, für all diese verschiedenen Menschen, Realitäten, die entweder einen Kompromiss finden, der einer farblosen Projektion auf eine Leinwand ähnelt, oder in einem niemals endendem Missverständnis zerläuft.
Es gibt nicht ?eine? Realität, es gibt nur gute Begründungen.
Wer aber die Erfahrung einer wirklichen Freundschaft machen konnte, weiß, wie schön es ist, wenn man jemanden findet der die Meinung über Geschehnisse ähnlich beurteilt.
Was man generell als Realität ansieht, ist lediglich die grobe Auffassung von Geschehnissen die momentan von den meisten Menschen geteilt wird.
Wie kann ich also behaupten, dass diese Witzfigur ein Trottel ist, nur weil seine Auffassung der Geschehnisse MOMENTAN nicht von den meisten Menschen geteilt wird?
Da ist es doch auch kein Wunder mehr, wenn er geknickt läuft, mit dem Blick stehts nach unten gerichtet und der steten Angst im Nacken, mit den Menschen der anderen Realitäten konfrontiert zu werden!?
Was ich ihm lediglich vorwerfen kann, ist die Unfähigkeit sich der Mehrheit anzupassen, um so nicht mehr als Witzfigur tituliert zu werden. Ist das denn ein Vorwurf wert? Ist das nicht vielmehr eine Stärke? Die Fähigkeit sich von der ?generellen? Realität völlig zu lösen und sich mit seiner eignen Interpretation der Geschehnisse in eine Umwelt zu trauen, in der jeder zerfleischt wird, der sich nicht anpasst, der sich dem Urtrieb der Rudelbildung nicht unterwirft?
Nein! Dieser Mensch ist nicht im Besitz einer der wichtigsten Fähigkeiten überhaupt, der Anpassung. Somit ist er nicht Fähig in unsere Gesellschaft mit erhobenem Haupt zu existieren. Er ist solange verdammt die Rolle der Witzfigur zu spielen, bis er sich darüber bewusst wird und aus der Schwäche eine Stärke macht. Wer einen solchen Übergang schafft, muss sich praktisch vor nichts mehr auf dieser Welt fürchten, doch bis dahin bleibt er eine Witzfigur, die alle Aufforderungen ignoriert und weiterhin als rundes Objekt auf einem Würfel existiert.
Die letzten Seiten des Buches beginnen, der Autor versucht krampfhaft etwas Emotionen in den krönenden Abschluss zu zwängen, so sitze ich halb vertieft mit dem Blick auf die angereihten Buchstaben fixiert, als ich bemerke, das fremde Gestalten meine Aura betreten. Mehr Trottel treffen ein und es entwickelt sich eine Situation in der eine Konfrontation der ?Realitäten? unausweichlich wird.