Gomorrha
Bewertung: 4 Punkt(e)Gomorrha steht im Proust'schen Kosmos - und nicht nur dort - für die lesbische Liebe, so wie Sodom Symbol der männlichen Homosexualität ist. Marcel, der Erzähler, ist manisch von der Vorstellung besessen, seine Geliebte Albertine könne sich zu Frauen hingezogen fühlen, weshalb er sie ausfragt, bespitzelt und in den goldenen Käfig seiner großbürgerlichen Welt sperrt. Nachdem sie ihre Goldfesseln abgelegt hat und zur Flüchtigen geworden ist, stirbt sie kurze Zeit darauf durch einen Reitunfall, in eben jener Gegend Frankreichs, wo auch die unmögliche Mademoiselle Vinteuil und ihre Freundin beheimatet sind, was Marcels Seelenqualen nur verstärkt. Von überall trägt er nun Indizien für Albertines Sapphismus zusammen, befragt Freundinnen, Wäscherinnen und Badewärterinnen, doch die Zweifel an ihrer Untreue mehren sich in gleichem Maße wie deren Beweise, und die Unmöglichkeit, zu einem schlüssigen Bild zu gelangen, wird durch das allmählich einsetzende Vergessen der Liebe, deren stärkster, vielleicht einziger Motor die Eifersucht des Erzählers war, vollkommen unmöglich gemacht. Letztlich bleibt Albertine so unfasslich, so unentzifferbar wie die flüchtige Zeit.