Determinismus
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Vertreter eines strengen Determinismus befinden sich nach allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die man in den Jahrhunderten gewonnen hat, in einer recht starken Position. Für alle Prozesse im makroskopischen Bereich ändern daran auch statistische Deutungen der Quantenmechanik nicht viel, die im Mikroskopischen dem Zufall mehr Raum geben, aber im Großen eben immer noch auf deterministische Gesetzmäßigkeiten hinauslaufen.
Der konsequente Determinist wird nun sagen, dass der Mensch in seinen Handlungen und Entscheidungen, für die er, nach allem, was wir wissen, anscheinend ein Stück deutlich makroskopischer Materie, Gehirn genannt, benötigt, ebenfalls der Notwendigkeit und dem Zwang der Kausalität unterworfen ist, und dass die vermeintliche Freiheit unserer Entscheidungen nur eine Illusion ist, nur ein Gefühl, gewissermaßen eine List der Natur, die uns den Stolz auf unseren scheinbar so überlegenen freien Willen einpflanzt und uns mit diesem ein kleines Refugium des Anthropozentrismus und der menschlichen Arroganz belässt, und das alles nur zum Zwecke der Lebenserhaltung als ganz darwinistische Funktion der Evolution, die der eigentliche Herrscher ist und das Gefühl des freien Willens als ein Glied neben vielen anderen für ihre eigenen Ziele benutzt.
Darüber wird der Gegner des Deterministen, der Indeterminist, der eigentlich Moralist ist, sich empören und sagen, dass so ein Standpunkt dem Menschen die Verantwortlichkeit für seine Handlungen nimmt, die Unterscheidung von Gut und Böse aufhebt und der Gleichgültigkeit und dem Egoismus Tür und Tor öffnet, und dass damit jede Bemühung um Selbstverbesserung und Verbesserung der Welt sinnlos und unmöglich wäre.
Der Determinist wird darauf vielleicht entgegnen, dass dies in der Tat die unangenehme Konsequenz seiner Erkenntnis sei und es infolgedessen keine Verantwortlichkeit im strengen Sinne gibt, und an den Naturgesetzen, an dem, was ist, das Gefühl der Unerträglichkeit, das der Mensch bei dieser Vorstellung hat und die Forderung nach Freiheit des Willens, also nach dem, was sein soll, nichts ändert.
Ist der Determinist nun ein Unmensch, ein moralisches Monstrum, das die Fundamente der Gesellschaft, der Gerechtigkeit, der Menschenwürde und der Mitmenschlichkeit untergräbt?
Er könnte sagen, nein, und vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall. Der Determinist lebt vielleicht nur in einem bewussten Widerspruch von Denken und Handeln und, in ganz pragmatischer Hinsicht, in der Illusion der Verantwortlichkeit und dem nützlichen Schein von Gut und Böse. Er wird vielleicht sagen, dass tatsächlich die meisten von uns in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen zum Guten und gegen das Böse, aber nicht, weil wir die moralisch besseren Menschen und wertvoller sind als der Mörder, der seine Familie und seine Nachbarn aus Hass oder Habgier getötet hat, sondern weil wir Glück gehabt haben, nichts als Glück, in einem einigermaßen vernünftigen Elternhaus und auch ansonsten in einer Umgebung aufgewachsen zu sein, die uns zu dem gemacht hat, was wir sind, und uns eben glücklicherweise, nur glücklicherweise, eine starke Illusion von Verantwortung und manchmal die Kraft zur richtigen Entscheidung mitgegeben hat. Der Mörder aber, der vielleicht nicht anders konnte, als zu morden, der schon als Kind vernachlässigt, geprügelt, verstoßen und verachtet wurde und in eine unglückliche Strömung der Gesellschaft geraten ist, hatte Pech, und wir haben kein Recht, ihn als schlechteren und uns als bessere Menschen hinzustellen, denn er hatte nie die Freiheit, sich zum Guten zu wenden. Freilich werden wir ihn bestrafen, einsperren oder gar mit der Todesstrafe richten, aber keine Moral und keine hochmütige Beurteilung seines Wertes berechtigt uns dazu, sondern nur unser eigenes Schutzbedürfnis und die Gewalt der Mehrheit gegen den Missetäter.
Der Determinist wird daher vielleicht sagen, dass wir keine Grundlage für eine Moral und auf ein Recht haben, gegen jeden den Zeigefinger zu erheben, sondern manchem Menschen gegenüber, der nicht unser Glück gehabt hat, nur Mitleid entgegen bringen können, nichts als Mitleid.