Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Demystifikation«
the weird set theorist schrieb am 23.2. 2001 um 14:01:25 Uhr zu
Bewertung: 8 Punkt(e)
(Demystifikation ist ein probates Mittel zur Überwindung ungünstiger selbstreferentieller Seelenzustände. Oft trägt ein näheres Kennenlernen des Objekts eigener Projektionen durch selbständiges Agieren zur Demystifikation seiner selbst bei. Allerdings leider nicht immer.)
Sie hatte sich wirklich verliebt. Der schnuckelige Kellner aus der Bar gegenüber begann in ihren Halbschlafphasen morgens und abends ein Eigenleben zu führen. Oft stand sie in ihren Schlangenlederimitatstöckelschuhen am Fenster und schaute hinüber, um einen Blick auf sein perfektes Äußeres zu erhaschen. Wie er hieß, wußte sie nicht, geschweige denn, was er -- abgesehen von seiner äußeren Gestalt -- sonst für ein Mensch war. (Meist korrespondiert ja ein attraktives Äußeres mit einem unattraktiven Inneren, wobei der Umkehrschluß, wie sie sich am Beispiel des Tretbootvermieters vor Augen führte, nicht zulässig ist: ein unattraktives Äußeres korrespondiert in der Regel nicht mit einem attraktiven Inneren. Aber das führt jetzt zu weit...) Sie hatte es langsam satt, an einer fiktiven Gestalt zu leiden. Es mußte etwas geschehen! Und zwar idealerweise eine rasche und gründliche Demystifikation: Sie mußte ihn kennenlernen, ihn reden hören, feststellen, wie dämlich und langweilig er ist.
the weird set theorist schrieb am 23.2. 2001 um 14:20:38 Uhr zu
Bewertung: 6 Punkt(e)
Demystifikation ist vor allem dann angebracht, wenn selbst das Rülpsen des betreffenden Objekts zu einer bewundernswerten Tat verklärt wird. Die massive Verwendung von Superlativen in der Beschreibung der banalen Zustände und Aktivitäten des Objekts sollte den neutralen Beobachter stutzig machen...
RLachmann: schrieb am 31.5. 2001 um 00:50:17 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Das Gegenteil?
Die Mystifikation wurde in Lehrveranstaltungen bisher nicht als eigenes Thema behandelt. Dabei werden
Mystifikationen auf vielen Gebieten, wie Wissenschaft, Kunst und Literatur, Politik, Medien immer wieder
hergestellt, verwendet und vollzogen. Ausgehend von der Betrachtung literarischer, historiographischer und
politischer Mystifikationen, sollen deren Regeln und Wirkungsmechanismen analysiert und verglichen werden.
Mystifikation - die Technik des Verdunkelns - ist spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Glauben
in die Naturwissenschaften, ein verdrängter Teil des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Was als Faktum
nicht bewiesen werden kann, hat wenig Chance auf Glaubwürdigkeit. Wissenschaftliche Aussagen gelten als das,
was als Erklärung im Sinne von Erhellung gesehen wird. Die Mystifikation als Verdunkelung ist nun nicht mehr, wie
noch im Mittelalter und teilweise in der Renaissance ein Kontrahent, sondern nimmt im Prozeß von
Erklärungsverfahren selbst einen wichtigen Platz ein, der entweder nicht wahrgenommen oder bewußt in Kauf
genommen wird. In den Wissenschaften ist dies z.B. die Annahme einer Grundthese oder -norm, in der Religion ein
Dogma, die nicht mehr hinterfragt werden. Warum nicht? Wenn doch, wann? Und warum? Eine andere Weise der
Mystifikation wäre die bewußte Verschleierung von Tatsachen, um Glaubwürdigkeit oder ein anderes Bewußtsein
beim Betrachter entstehen zu lassen. Wo also die Wissenschaften aufklären wollen, schaffen sie in letzter
Konsequenz gleichsam ein Geheimnis - indem sie das ?Unerklärliche? benennen, aber es als solches nicht
eliminieren, sondern klassifizieren. Dies und das Wissen, daß es keine letztgültigen Erklärungen geben kann, führen
zu einem Erkenntnisvakuum. Der unerklärte Rest verschwindet im Dunkeln, wirkt aber von dort selbständig weiter.
Dies wollen wir als Mystifikation bezeichnen.
Im Tutorium soll anhand verschiedener Themenkomplexe ausgelotet werden, wie sich die beiden Möglichkeiten,
Wirklichkeit zu erfassen, zueinander verhalten. Der Schwerpunkt soll dabei allerdings auf dem Verfahren der
Mystifikation liegen, da ihr als eigengesetzlicher Erkenntnisform bisher zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Ziel
soll sein, das Bewußtsein für verborgene Mystifikationen zu schärfen. Die vorgeschlagenen Themenkomplexe sowie
Literatur sollen von den Teilnehmern ergänzt und erweitert zu werden.
Das Tutorium wendet sich an Studierende aller Fachrichtungen, die an dem Thema interessiert sind. Die Mitarbeit
von Doktoranden, aber auch Gastvorträge von Wissenschaftlern unserer Universität sind wünschenswert. Wir
rechnen mit etwa 10 Teilnehmern.
Im allgemeinen Ablauf sollen theoretische sowie literarische Texte gelesen werden, Objekte wie Ausstellungen
Filme, Installationen u.a. betrachtet werden. Auf das Lesen und Betrachten soll eine Auseinandersetzung mit dem
Aufgenommenen in der Gruppe geschehen. Hauptaugenmerk der Methodik aber soll das eigene essayistische
Schreiben sein, welches im Studium kaum geübt wird, aber in späterer Berufspraxis für viele Geisteswissenschaftler
wesentlich wird. Es sollen regelmäßige Schreibübungen durchgeführt und gemeinsam ausgewertet werden. Am
Ende des Tutoriums soll aus diesen eine Essaysammlung zum Thema des Tutoriums entstehen, in der jeder
Teilnehmer einen Text publiziert, welcher individuelle Sichten und Thesen enthält. Räume und Technik des Instituts
für Slavistik stehen uns zur Verfügung. Sachmittel für die geplante Publikation werden über die Fakultät beantragt.
RLachmann: schrieb am 31.5. 2001 um 00:48:50 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
Damit eine Aussage wirksam wird, muss sie glaubwürdig sein. Wählt jemand ein Pseudonym oder fingiert eine
Quellenangabe um dies zubewerkstelligen, ist das Verfahren der Mystifikation leicht erkennbar. Aber ohne uns
dessen bewusst zu sein, arbeiten wir andauernd mit Werten und Annahmen (wie z.B. dem Gültigkeitsanspruch von
empirischen Wissenschaften), auf denen sich unser Weltsystem aufbaut. Wo immer etwas formuliert wird, müssen
Grundannahmen dahinter stehen, die nicht mehr reflektiert werden (können).
Ob es ein „common sense“ ist, der in einer Gruppe den Diskurs bestimmt, oder die Annahme einer Grundnorm in den
Naturwissenschaften (der Anfang einer Beweiskette): immer ist dies der unerklärte Rest (‚Mystifikat‘), der
selbständig weiterwirkt und die Bildung von Evidenzen beeinflusst oder fördert.
Wie Mystifikation entsteht und funktioniert und welche Bedeutung dieses „Verfahren der Verdunkelung“ für den
Erkenntnisprozess hat, soll an Beispielen aus den Wissenschaften, der Gesellschaft, Geschichte, Literatur, Kunst
und den modernen Medien untersucht werden. Getragen wird das Projekt von Studierenden der Philosophie,
Geschichte, Slawistik und Germanistik. Ein Essayband aus Aufsätzen der Teilnehmenden wird am Ende des
zweisemestrigen Tutoriums stehen. Diefächerübergreifende Veranstaltung ist für Teilnehmende aller Studiengänge
offen.
Jeffrey schrieb am 25.2. 2001 um 20:45:54 Uhr zu
Bewertung: 4 Punkt(e)
Hier spricht der totale Profi. Demystifiziere alles und jeden gnadenlos innerhalb kürzestes Zeit. Ohne Sauerei und missliebige Interferenzen.
Es gibt sie allerdings, meine kleine Demystifikationsresistenz. Deshalb kein Rechtsanspruch.
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