Andromeda
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Schade eigentlich, dass die heute lebenden Menschen schon längst in ihre Atome zerfallen sein werden: Sie verpassen die Mutter aller Feuerwerke. In rund zwei Milliarden Jahren wird die Milchstraße erstmals mit dem Andromeda-Nebel kollidieren. Die Fetzen der beiden Galaxien werden auseinanderfliegen und dann durch die gegenseitige Anziehungskraft erneut zusammenrasseln, bis am Ende - von heute aus gerechnet in etwa fünf Milliarden Jahren - ein neues Sternensystem geboren sein wird.
Erde und Sonne wären nach dem Crash mit Andromeda viermal weiter vom Zentrum der neuen Galaxie entfernt als heute
Astronomen wissen bereits seit Jahrzehnten, dass die Milchstraße einst dieses Schicksal ereilen wird. Unbekannt war bisher allerdings, was dann mit unserem Sonnensystem geschieht. Forscher vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts) haben das nun im Computer simuliert.
Das Ergebnis: Die Sonne, die das kosmische Spektakel noch vor ihrem Ausbrennen zum Weißen Zwerg erleben wird, und die Erde werden in die Außenbezirke der neuen Galaxie geschleudert. »Man könnte sagen, dass wir zur Rente aufs Land geschickt werden«, sagte Thomas Cox, der die Berechnungen gemeinsam mit Avi Loeb im Fachblatt »Monthly Notices of the Royal Astronomical Society« veröffentlichen wird. »Derzeit leben wir in den Vororten der Milchstraße, aber durch den kosmischen Crash werden wir wahrscheinlich noch viel weiter draußen wohnen.«
Wohnen dürfte auf der Erde dann allerdings kaum noch jemand: Wenn das kosmische Spektakel in zwei Milliarden Jahren beginnt, wird die Sonne wohl so hell und heiß sein, dass die irdischen Ozeane verdampft sind. Bleibt zu hoffen, dass die Menschen bis dahin die interstellare Raumfahrt perfektioniert haben und in ein anderes Planetensystem umgezogen sind.
Neue Galaxie geformt wie ein Rugby-Ball
Lohnen würde sich das durchaus, denn das Crash-Spektakel dürfte Seinesgleichen suchen. Bei der ersten engen Begegnung zwischen Milchstraße und Andromeda würde man von der Erde aus sehen, wie das Band der Milchstraße am Nachthimmel von der machtvollen Gravitation der Andromeda-Galaxie zerfleddert wird. Zahlreiche Sterne werden aus ihren Bahnen geworfen.
Wie ein tanzendes Paar werden sich die beiden Sternensysteme immer enger umkreisen - bis ihre Sterne sich schließlich unter der gegenseitigen Anziehungskraft zu einer neuen Galaxie vereinigen. Sie wird den Berechnungen von Cox und Loeb zufolge die Form eines Rugby-Balls besitzen. Die Sonne ist dann bereits ein alternder Roter Riese, der kurz davor steht, seine äußere Hülle ins All zu schleudern und als Weißer Zwerg zu erlöschen. Sie wird gemeinsam mit der verbrannten Erde rund 100.000 Lichtjahre vom Zentrum ihrer Galaxie schweben - etwa viermal weiter als heute.
Die Nachkommen der heutigen Menschen, so es sie geben sollte, werden dann einen vollkommen anderen Nachthimmel sehen: Das blasse Band der Milchstraße ist verschwunden; stattdessen prangt dort eine gewaltige Wölbung aus Milliarden Sternen. Falls Astronomen dann noch immer den Himmel beobachten, blicken sie möglicherweise auf die ersten Vorhersagen der Geschehnisse zurück. Loeb freut sich schon heute auf seinen Nachruhm: »Das ist der erste meiner Fachartikel, der eine Chance hat, in fünf Milliarden Jahren zitiert zu werden.«
spiegelonline