Fußnote zu Plato
Plato warf der Schrift - neben der zersetzenden Wirkung auf die für die orale Kultur so fundamentale Kunst des Gedächtnisses - vor, daß die Texte jetzt völlig unabhängig von den Sprechern bzw. Autoren zirkulieren können - unautorisiert und ohne Kontrolle.
Genau in dieser Befreiungsbewegungen der Schrift von linearen Befehls- und Repräsentationsfunktionen zu vielfältigen Vernetzungs- und Kommunikationsstrukturen liegt allerdings die enorme Sprengkraft, die die Schriftentwicklung historisch so eng an soziale Bewegungen gekoppelt hat: an die Herausbildug demokratischer Stellvertreter-Prinzipien, die Entstehung bürgerlicher Subjektivitäten (als Sprecher und Schreiberfunktionen), die Verbreiterung des Adressaten-Kreises von Texten, die Entwicklung `kritischer' Diskurse[1] (Reformation, Aufklärung, enzyklopädische Wissensutopien ...) und moderner Aufschreibesystene bis hin zur noch offenen aktuellen Umbruchsituation von der Gutenberggalaxis[2] zu postindustriellen Produktions- und Rezeptions-Strukturen. Das Informations-Zeitalter ist schon mit vielen, teils blumenreichen, teils metaphorischen Bezeichnungen bedacht worden: Turing-Galaxis[3], Cyberspace, Universum elektronischer Texte (Docuverse) ....
==== fußnoten=====
[2] Deren (vermeintliches) Ende wird in der Nachfolge McLuhans (Mc Luhan 1968) von der aktuellen Medientheorie besungen und teilweise auch durch die Entwicklung neuer Diskursformen entsprechend in Szene gesetzt. (Lyotard 1982, Baudrillard 1982, Kittler 1993, Bolz 1993, Flusser 1987, Rötzer 1991 und 1993, Virilio 1993) - Solche »leeren Verweise« sind in digitalen Texten nicht üblich. Während die Autoren (gedruckter) Texte sich durch eine Überfülle von Verweisen auf 'anerkannte' Diskurse selbst einen Autoritätszuwachs erhoffen - dieser 'hermeneutische Zirkel' schließt natürlich auch den Leser mit ein, der die geläufigen 'Stellen' zu kennen hat -, verzweigen digitale Texte tatsächlich zu den entsprechenden 'Stellen'. Eine solche radikaldemokratische Zugriffsweise auf die neuen Wissensformationen läßt die telematischen Kulturen auch im Lichte utopischer Gesellschaftsentwürfe erscheinen. (Vgl. Idensen (1993).
[3] Vgl. Grassmuck 1985
p,s und wenn die bücher sich nicht an dem angegebenen ort befinden
(vgl.a.a.o.)
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