Mit der Pizzeria um die Ecke sieht es ganz übel aus. Seit drei Monaten macht sie zweifellos zu wenig Umsatz. Gähnende Leere zur Mittagszeit, die einzigen gelegentlich anzutreffenden Besucher sind die professionellen Biertrinker aus dem Ort, Schnitzel haben sie nicht und den wöchentlichen Ruhetag schon zweimal umverlegt, in der Hoffnung, die Besucherschwäche nur auf eine ungünstige Wahl dieses Tages zurückführen zu können. Seit diesen vollen drei Monaten bis heute klagt der italienische Wirt über die Schlamperei der Druckerei, die mit der Herstellung der Speisekarten beauftragt wurde und ihm seitdem Geschichten über beschädigte Druckmaschinen erzählt. Das ist allerdings in der Tat eine existenzgefährdende und auch mich als seinen Kunden berührende Schweinerei, die ihn allemal berechtigen muss, den einst erteilten Auftrag mit der Faust auf dem Tisch zu stornieren und anderweitig zu vergeben. Nein, da klagt er lieber jedem Pizzaesser dreißigmal sein Leid. Jetzt beginnt nun schon die Phase des verzweifelten Ruderns um den Erhalt seines Ristorante. Die drastische Senkung der mittäglichen Preise wird auf der Kreidetafel vor der Tür angepriesen und die Diensteifrigkeit nimmt skurrile Formen an. Ist an der Pizza ein etwa einen tausendstel Millimeter schmaler und einen halben Zentimeter langer Streifen etwas dunkelbrauner gebackenen Teiges, setzt eine Tirade an Entschuldigungen ein: »Ah, oh, ich habe eine halbe Minute zu lange telefoniert, hier ist die Pizza etwas verbrannt, wenn Sie Ihnen nicht gefällt, mache ich sofort eine neue, gar kein Problem.« »Wo ist denn was?« »Hier, hier sehen Sie nur, eine halbe Minute zulange im Ofen, das reicht schon, schon ist es passiert, ich mache besser sofort eine neue.« »Oh nein, bitte nicht.« Dann kommt die Frau des Kochs dreimal: »Ist alles in Ordnung? Sollen wir eine neue Pizza machen? Sie können das ruhig sagen.« »Nein, nein, die Pizza ist astrein.« Dann kommt der Pizzabäcker persönlich wenigstens zweimal: »Ich mache immer alles ganz frisch. Hier sehen Sie« (er zeigt auf eine unserer schon halb verspeisten Pizzen), »schöne Meeresfrüchte, kleine Calamari, alles ganz frisch. Ich habe einen Hauch Knoblauch hinzugefügt, immer nur einen Hauch, sehr gut für die Pizza. Ist das gut so?« »Ja, genau richtig.« »Das dauert etwas länger, weil ich alles immer ganz frisch mache, keine Konserven. Besser etwas länger warten als wenn die Pizza nicht schmeckt, nicht wahr?« »Es hat doch gar nicht lange gedauert.« »Ja, so eine Schnellpizza aus Konserven schmeckt nicht, ich mache alles frisch, es dauert eben etwas länger.« Das ist wirklich ein grauenvoller Todeskampf. Am Ende bezahlt man und wird ausführlich auf die zum eigenen Vorteil erheblich gesenkten Preise hingewiesen: »Sehen Sie, hier« (er zeigt auf die Rechnung), »das stand draußen auf dem Schild, mittags machen wir gute Angebote.« »Oh, ja, das war mir gar nicht aufgefallen.« »Ja, das ist jetzt mittags immer so billig, aber abends nicht. Am Abend gibt es die Preise von der Karte.« Dieser Rest an Stolz war dann wenigstens etwas beruhigend. Der Kauf einer dieser im übrigen sehr guten Pizzen in jener Pizzeria vor dem Bankrott hat etwas zunehmend Deprimierendes an sich. Da verliert man den Spaß an den günstigen Angeboten. Der Enthusiasmus dieser Pizzafamilie mit dem strengen Qualitätsbewusstsein und Berufsethos wäre eher mit freiwilligen doppelten Preisen zu würdigen. Was trägt doch der Pizzabäcker an sich zum allgemeinen Wohl der Menschheit bei! Nicht viele Berufe, die man ergreifen kann, kommen ihm an Sinn und Notwendigkeit gleich. Wieviele Berufszweige gibt es, deren Tun arg nutzlos ist und niemandem Freude macht, ganz zu schweigen von denjenigen, die mit großem Erfolg und Kommerz nichts als Schaden produzieren! Das ist so sehr ein Skandal wie der beweinenswerte Bankrott einer Pizzeria.
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