Irgendwann in meiner Schulzeit, ich erinnere nicht mehr wann genau, kamen die »Schlamper-Mäppchen« in Mode. Während man vorher all seine Buntstifte, den Füllfederhalter, Radiergummi, Bleistiftspitzer und was-weiß-ich-nicht-noch fein säuberlich in Mäppchen verwahrte, bei denen jedem dieser Utensilien ein eigenes Gummibandschläufchen zugeordnet war, warf man im Schlamper-Mäppchen einfach alles durcheinander. So viel zum Fortschritt.
Allerdings tendierten auch diese anderen Mäppchen - ich will sie hier mal kontrastierend »Ordnungs-Mäppchen« nennen, obwohl dieser recht zutreffende Begriff damals dafür nicht üblich war (Oder wäre Ordnungsfanatiker-Mäppchen eher angemessen? Nein, dann führt irgend ein Depp das nur wieder als neues Stichwort ein.) also auch diese Ordnungs-Mäppchen tendierten dazu, im Laufe der Zeit nicht mehr so ordentlich auszusehen wie am Anfang: der eine oder andere Buntstift kam abhanden und sein Platz blieb leer oder wurde schließlich vom Zirkel okkupiert, den anzuschaffen die Mathematiklehrerin gefordert hatte. Der nachgekaufte Radiergummi passte nicht an den Platz, wo er eigentlich hingehören sollte, der Füllfederhalter war mal ausgelaufen und hatte die schöne weiße Kunststoffinnenseite und ein paar der umliegenden Gummibandschläufchen mit häßlichen Flecken verunstaltet, und der Zirkel, dem das Ordnungs-Mäppchen eigentlich nur gnädig Asyl gewährte, hatte sich dafür mit ein paar reingepieksten Löchern bedankt.
Beim Schlamper-Mäppchen war das alles nicht so schlimm. Willig fraß es, was man hineinstopfte, es war meist aus so robusten Material gefertigt, dass ihm auch der garstige Zirkel nichts anhaben konnte, und die Flecken auf der Innenseite, die es natürlich auch bald zahlreich hatte, wurden gnädig verdeckt, wenn man nur den Reißverschluss zuzog.
Insofern unterschied es sich vordergründig zwar nicht vom Ordnungs-Mäppchen, dessen Reißverschluss man ja auch einfach hätte zuziehen können, aber dann hätte man die diversen Schreib-Utensilien nicht so gut entnehmen und wieder richtig einordnen können. Im Schlamper-Mäppchen wühlte man dagegen nur solange mit den Fingern, bis diese das Gewünschte ertasteten. (Autsch - das war jetzt wieder der böse Zirkel!)
Im Grunde genommen war der Reißverschluss auch der kritischste Teil - beim Schlamper-Mäppchen wie beim Ordnungs-Mäppchen. Ging er kaputt, war Sense. Gut, das Ordnungs-Mäppchen hatte jetzt mit seinen Gummibandschläufchen einen kleinen, aber wirklich nur einen klitzekleinen Vorteil, weil die Sachen nicht gleich herausfielen. (Taten sie aber doch, so fest hielten die Gummis auch nicht.) Spätestens an Weihnachten oder zum Geburtstag lag dann ein neues Mäppchen auf dem Gabentisch und das alte wanderte in den Müll.
Ja, so war das damals, vor langer, langer Zeit.
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