Zugfenster

Heute morgen versuchte ich, zugfahrend, buchlesend, junge Schülerinnen durch das Zugfenster hindurch nachdenklich anzublicken und so, im Idealfall, in mich verliebt zu machen (mit äußerst mäßigem Erfolg wie ich vermute).
Ich weiß nicht so genau, ob ich das nun als meine Aufgabe, als Oberantichrist der ich bin, ansah, es mein Selbstbewußtsein heben würde, einen sehnsuchtsvollen Blick von einem dieser Mädchen zurückzubekommen, oder ich einfach nur für ältere Exemplare geübt habe, jedoch, jedoch was? Jedoch nichts, aber dieser Satz schien irgendwie noch ein 'jedoch' zu erfordern.
Mein nächster Text wird womöglich unter dem Stichwort 'todtraurig' erscheinen, das ich dazu gegebenenfalls noch kreieren werde müssen.

Manche Neurotiker zerbrechen vermutlich schon an der Entscheidung, welches von zwei Fenstern sie bei Durchzug schließen sollen.

Die Zugfenster lassen sich heute nicht mehr öffnen. Das ist einerseits gut, weil es dann im Sommer nicht mehr so zieht, vorrausgesetzt die Klimaanlage ist ok.
Leider entfällt damit aber auch die Verabschiedung am offenen Fenster. Die Romantik, sich beim anfahrenden Zug durch das Fenster den letzten langen Kuß zu geben, der dann durch die Unerbittlichkeit der Geschwindigkeit getrennt wird, vermisse ich.

Wenn ich die Idioten erwische, die ständig die Zugfenster zerkratzen, werde ich denen auch mal was zerkratzen und den Schwachmaten dann sagen, das sei Kunst und ein Zeichen sozialen Protests.