Wunderhübscheste
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Sie hat mich gar nicht wahrgenommen.
Naja.
Eigentlich doch. Auf der Autofahrt haben wir uns die ganze Zeit unterhalten. Sie saß auf dem Beifahrersitz, die anderen schliefen hinten. War ja auch mitten in der Nacht. Aber vielleicht hat sie sich nur aus Pflichtbewußtsein mit mir unterhalten. Damit ich keinen Sekundenschlaf bekomme und alle umbringe.
Aber sie war doch so interessiert. Und so mir zugewandt. Sie hat sich echt für mein Leben interessiert. Das ist selten. Wenn nicht gar einmalig.
Abgesehen davon wagte ich auf freier Strecke und in Momenten, da sie geradeaus blickte auch mal einen flüchtigen Blick. Sie da in dem breiten Ledersitz mit dem dünnen Kleidchen. Noch ganz naßgeschwitzt vom Tanzen.
Ich meine: Dreihundert Kilometer sind lang. Da läßt sich viel klären und viel anfangen. Und irgendwie hatte ich auch ständig das Gefühl, es würde mir gelingen. Sie kicherte manchmal über meine ironischen Anmerkungen. Ich hatte schnell mitbekommen, daß ihr etwas trockener, unfairer Humor gefiel. Und es gefiel mir, daß er ihr gefiel.
Streckenweise zogen wir über bestimmte Leute her. Dann erzählte sie von ihrem Bruder und ich von meinem. Sie ist ja so strebsam und fleißig. Hatte immer nur Einsen.
Ich gab mehr Gas. Zu Beginn der Fahrt hatte sie noch erzählt, sie würde eine ausgewogene, vernünftige Fahrweise mehr schätzen als Raserei. Aber ich merkte, daß es ihr Spaß machte. Sie leuchtete ein bisschen, wenn ich das Gaspedal bis zum Boden drückte und die Automatik nicht gleich hochschaltete.
Und erst das Radio. Es schien sich mit mir verbündet zu haben. Meine CD mit »Songs, die ihr vielleicht gefallen« machte im Shufflemodus tolles Programm. Alles paßte. Und ich hätte mich vermutlich über einen von hinten heranrollenden Porsche 911 mehr gewundert als über einen Kuß von ihr.
Es war längst hell, als ich sie zu Hause absetzte. Sie sagte: Wir sehen uns ja bestimmt wieder. Sie umarmte mich. Blöde Ledersitze.
Und dann?
Nix.