Wollmantelkrise

Gerade beim Hundegang dachte ich noch bei mir selbst: Keer, du bist bescheuert. Zermarterst Dir voller Empathie das Hirn, wo ein zugegebenermaßen sympathischer und gescheiter Jungspund, der sich offenbar in den Kopf gesetzt hat, seine restliche Jugend in geckenhafter Gewandung zu beschließen, seinen roten Wollmantel herbekommt, und dabei hast Du Deine eigene Bekleidungsfrage für dieses Jahr noch nicht gelöst. Wollmantel wäre in der Tat nicht schlecht, nur die Farbe wird ein Problem. Schwarz macht mich zu blaß, braun ist spießig, weiß, creme und gelb verbieten sich, weil sie zu sehr schmutzen, als Hundebesitzer sind das Tabufarben. Dunkelgrün ist diesseits der 50 nur was für Jungunionisten. Blau ist langweilig, kariert ein Unding. Einen Pelzmantel hätte ich schon gern, aber die sind nur was für die wirklich dicken, obwohl der Ivan Rebroff zum Beispiel, ohne Russenkluft am Strande von Mykonos eher Streichholzbeine... Beim Leder stellen sich genau die gleichen Farbprobleme, bleibt als einzige Farbe eigentlich karmesinrot... An diesem Punkt unterbrach ich mein Sinnen und eilte nach Hause, um mir nach ein paar Ohrfeigen das Gehirn mit Seife auszuspülen.

Nachtrag 26.10.: Wollmantelkrise beendet. Beim Durchforsten des Winterkleiderschrankes ein anthrazitfarbenes Exemplar, vermutlich zwei Jahre alt, wiedergefunden. Möglicherweise hatte ich ihn verdrängt, da er österreichischer Provenienz ist, vorgeblich nach gewissen ökologischen Standards gefertigt und zumindest von den Knöpfen her mit einem minimal folkloristischen Einschlag behaftet ist. Muß ihn letztes Jahr völlig vergessen haben, nun jedoch kommt er mir angesichts meiner Kaufunlust ausgesprochen zupaß.

Ich selbst habe keine Wollmantelkrise, da ich bereits einen Wollmantel besitze. Er ist weich, dunkelbraun (eine Farbe, die mir, Wintertyp, absolut nicht steht, jedoch als Mantel schon), hat Ärmelumschläge und einen großen Schaukragen. Ich sehe damit sehr »angezogen« aus, was daran liegen könnte, dass er von der Firma Basler ist, die i.d.R. die weibliche 50plus-Generation einkleidet. Ich kannte da aber jemanden, der bekam »Prozente«, sodass ich nun halt in dem Basler-Teil herumlaufe. Ein roter Mantel stünde mir sicher auch sehr gut, wie jedwede auffällige Kleidung.

…es war Sonntag, ich bewegte mich durch die leeren
Hallen eines Einkaufzentrums.
Der Wollmantel verfing sich in der Rolltreppe
und ich bekam eine Panikartige Krise.
Es stellte sich mir eine für mich tief greifende Frage:
sterbe ich jetzt oder lebe ich nackt weiter?
...