Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Volksmusik«
Haserl schrieb am 20.9. 2003 um 17:24:13 Uhr zu
Bewertung: 4 Punkt(e)
Der 50. Geburtstag meiner Mutter sollte ganz groß gefeiert werden. So richtig in ner Gaststätte mit Firlefanz und PiPaPo. Aber sie hat es sich auch verdient, schließlich ist sie eine gute Mutter. Wie auch immer, jedenfalls gab es auch einen ganz fetzigen (so würde er sich selbst bezeichnen) Gaststätten DJ! Die obligatorische Lederkrawatte um den Hals und sein DJ-Pult festlich mit Plastik-Sonnenblumen geschmückt, kam er an. Das hätte mir gleich was sagen sollen. Aber ich beging trotzdem den größten Fehler meines Lebens! Auf die Frage, die eigentlich an meine Mutter gerichtet war, was für Musik sie denn bevorzugen würde, mischte ich mich in das angedeutete Schulterzucken meiner Mutter gnadenlos ein und warf ihm mutig entgegen: »Alles, aber bitte, keinen Schlager«. Die Kinnlade befand schon in diesem Moment drei Etagen tiefer, und ich sah den Schmerz in seinen Augen! Oh Gott, ein Herz war gebrochen! Er erwiderte nur besonders kühl: Auf Deine Scheiß-Musik tanzt aber keiner von den Herrschaften! Nun war ich geschockt. Noch geschockter war ich, als er den ganzen Abend über wirklich nur Schlager spielte, und dabei abging wie Schmidts Katze! Damit war klar: Ich habe einen Menschen in der Tiefe seiner Seele verletzt. Aber das ist mir bei Mr. DJ so mega scheiß egal. Ein dreifaches Hölle, Hölle, Hölle!
tootsie schrieb am 24.1. 2007 um 10:46:48 Uhr zu
Bewertung: 4 Punkt(e)
Ich bin davon überzeugt, dass Volksmusik nicht nur für Rentner, sondern auch für bekiffte Jugendliche gemacht wird. Es lohnt wirklich, nach einem Joint den Musikantenstadl zu gucken.
Überraschend für mich war, dass die Lieder sogar einen Inhalt haben. Allerdings haben alle Lieder den SELBEN Inhalt. Meist schöne, paradiesische Landschaft in Verbindung mit perfekter Liebe. Für das vereinsamte Publikum sicher ein Vorgeschmack auf das Leben nach dem Tod. Die alten Ägypter hatten ähnliche Vorstellungen von der Ewigkeit.
Die Kostüme der Interpreten ergänzen den Inhalt: Sie unterstützen die Illusion von einem paradiesischen Landstrich, wo die Welt noch in Ordnung ist. Am beliebtesten sind der Alpenraum, das Erzgebirge und die Küstenregion. Aber weder im Erzgebirge noch sonst irgendwo auf der Welt rennen die Leute in Trachten herum und jodeln den ganzen Tag. Die Rentner aus dem Erzgebirge träumen sich in ein phantastisches Bayern, und die Greise von der Waterkant schwärmen von den Randfichten. Kein Ort. Nirgends. Das Rentnerutopia!
Wärme, Gemeinschaft und Freude finden die Alten nur noch bei Marianne und Michael - nicht etwa bei den Leuten, mit denen sie angekarrt wurden, um anonym zu schunkeln. Die Lieder sind ganz matschig von verdrängter Sexualität und kindlicher Sinnenfreude. Der Versuch, die Unschuld zurückzugewinnen und noch einmal ganz von vorne anzufangen, wird in eine phantastische Gegenwelt verlagert.
Nicht nur Volksmusik erschließt sich dem bekifften Beobachter ganz neu; auch Homeordertelevison, wissenschaftliche Reportagen und »Die Blechtrommel« offenbaren plötzlich reine Bedeutung!
mcnep schrieb am 3.12. 2002 um 01:39:31 Uhr zu
Bewertung: 6 Punkt(e)
Bereits jetzt, nach einer Flasche Gorbatschow, empfinde ich bodenlosen Respekt vor Udo Jürgens, der unlängst in einem SZ–Interview eingestandt, in selbstredend lange zurückliegenden Zeiten bis zu zwei Flaschen Kartoffelschnaps vor (!) einem Auftritt konsumiert zu haben. Lieber Himmel, wenn ich an den Kater von morgen denke, oder meine Einträge wenige Stunde zurück Revue passieren lasse, frag ich mich, wie hat der Mann das gemacht? Selbst wenn die Hälfte des Publikums aus 'mit kleiner Feigling vollgepumpten Sekretärinnen' (so ein ungefähres Zitat von Max Goldt, den zu zitieren inzwischen ähnlich 'prolo' geworden ist wie das Hören von Erik Satie) besteht, bleibt immer noch der hutziehende Respekt vor einem Österreicher - oder auch nur mit einem r, also 'Östereicher', sieht aber noch doofer aus - der sich vollkommen duhn vor eine Liga von fandomgeilen Semigreisinnen und deren fickfrohen Enkelinnen stellt (selbst auf unserer Schule hatten wir ein Mädchen das »angeblich« mal von Udo Jürgens gebürstet wurde) und sich nicht erfrecht (der Udo 77–02 aus weiter oben begonnenem Satz, mit rund 2,5 Promille vor das Publikum zu treten, womöglich noch in weißem Anzug und selbigem Klavier und 'Aber biite mit SahneÄ oder gar 'Der Teufel hat den Schnaps gemacht' anzustimmen, wie bereits angedeutet, meine Tasse Tee ist es nicht, aber: Chapeau vor diesem Mann.
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