Sozialkater
Bewertung: 5 Punkt(e)Mit der Verlinkung dieses autochthon generierten Wortes begebe ich mich in sonderbare Googlegesellschaft, hat doch ein prüfender Blick ergeben, daß der einzige, der dieses Wort zuvor aus der Netztaufe gehoben hat, ein Burschenschaftler des 'Corps Suevia Strassburg' ist, allerdings wohl eine Art Mensurdandy, mit Max Frisch, SZ, Morrissey und Titanic–Zitaten auf seiner Site, dann will ich mir das Wort gerade nochmal durchgehen lassen. Anlaß für dessen Erschaffung war, wie passend, ein Anruf von Davinas Mutter, die gestern eine Art Müttererholungstag hatte, in dessen Verlauf sie mit einer guten Freundin das Amsterdamer Rijksmuseum besucht hat, nicht ohne zuvor mit ihrer Begleitung eine der landestypischen, mit dem Verkauf von Scherzartikeln befassten Lokalitäten aufzusuchen. Deren Einnahme, in Verbindung mit den überlebensechten Franz Hals–Porträts in der Galerie, dem bunten Treiben in den Gassen und der abschließenden Verdichtung im Hauptbahnhof hätten sie aufgeräumt und glücklich, zugleich jedoch extrem genervt hinterlassen, und den ganzen folgenden Morgen sei sie damit befasst gewesen, ihre Angepisstheit auf dem Rücken der restlichen Kleinfamilie abzuladen. Ich konnte sie trösten, da mir diese, so improvisierte ich während des seelsorgerischen Telefonats, 'Sozialkater' aus eigener Erfahrung nur zu gut bekannt sind. Die gottlob seltenen einstündigen Telefonate mit guten Freunden und Verwandten lassen mich unmittelbar nach ihrer Beendigung noch hörerwarmen Ohres zum Whisky greifen, Geburtstagsfeierlichkeiten und alle Art von Familienfesten überstehe ich mit größtmöglichem Charme, um gleich nach der Heimkunft für Stunden in katatonische Zustände zu verfallen, selbst das Vorhorchen in den Treppenhausflur, ob keine Gefahr des nachbarlichen Kontaktes beim Verlassen der Haustür droht, ist mir in solchen Momenten nicht fremd. Ach, armes Ich, dem mir auf Erden nicht zu helfen ist; wäre meine Toleranz gegen Mitmenschlichkeit ähnlich ausgeprägt wie die gegen andere Gifte, ich könnte ein betriebsames Leben führen, nicht vom Damoklesschwert der Deprivation bedroht, sich fallenlassen, begleitetwerden, Reihumbauchpinsel bis zum Ichkannnichtmehr und was dergleichen Lockungen mehr sind. Aber es ist, wie es ist, darüber hält sich auch mein Gram in Grenzen, und zur Not gibt es ja immer noch dem Blaster, dessen Insassen ich solche idiosynkratischen Verkrustungen in unverbindlich–gesichtsloser Form unterbreiten kann; Punkte statt Treffpunkte.