Schlüsselloch
Bewertung: 1 Punkt(e)Ich lese mich gerade nicht ohne Vergnügen durch die reichhaltige Korrespondenz eines gehackten Naziservers, die die Aktionsgruppe antifaschistisches Blastern dankenswerterweise verlinkt hat. Nicht speziell, weil es Mails rechtsradikalen Inhalts sind, doch den will ich sehen, der nicht bereitwillig die Gelegenheit ergriffe, tausende von Nachrichten fremder Menschen mit zum Teil intimen Inhalten zu lesen. Faszinierend finde ich neben interessanten Einblicken in Aufbau und Organisation der rechten Szene vor allem die Normalität, die immer wieder aufblitzt. Da werden Cheats für Computerspiele ausgetauscht, man begrüßt sich mit 'alter Schwede', Frauen berichten davon, an welche Körperstellen sie das Ejakulat befördert wissen wollen, es wird angefragt, ob gerade Sex and the City geschaut wird, aber natürlich auch die kleinen und großen Nöte des politischen Kampfs - wo bekomme ich gute Fotos von Michael Kühnen her, wer kann mir einen billigen Anwalt nennen, brauche ein Lied von TonSteineScherben für eine zu brennende Schulhof–CD... Ich will weder auf das Klischee von der Banalität des Bösen hinaus, noch gar umgekehrt das Lied von den fehlgeleiteten Kindern der Republik singen; ich würde es einfach begrüßen, wenn künftig alle Mailserver und damit alle Privatkorrespondenz des Internets frei zugänglich gemacht würden, weil dies sicher bei den Schreibern einen wünschenswerten Prozeß der Selbstreflektion einleiten würde. Wer sich ein einziges Mal für einen intensiven, wachen Moment von außen gesehen hat, kann eigentlich nicht guten Gewissens in seine innere Muffelbude zurück. Eine neue, zerbrechliche Welt aus Glas, in der alle Menschen vor dem Rausgehen Filzpantoffeln anzögen, wäre etwas wunderbares.