Polaris
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Ich war wieder an Bord der Polaris. Lange hatte ich diesen Augenblick herbeigesehnt. Es ward schon spät und die Dunkelheit brach herein als ich noch auf der Brücke stand und mir eine Zigarette anzündete. Kühler Seewind brach durch meine Haare. Nur die Glut meiner Kippe erleuchtete die Brücke ganz schwach wenn ich daran zog. Die Lichter des Hafens konnte man schon einige Zeit nicht mehr sehen. Wir waren schon fast auf hoher See. Die gedanken von fernen Ländern zogen wieder durch meinen Kopf. Fernweh sagt man. Gedanken die Seefahrer schon vor Jahrhunderten verrückt gemacht haben. oder war es der Rum? Viele zerbrachen daran. An gedanken, Erinnerungen, Gefühlen. Aber hier und jetzt auf der Brücke zu stehen war absolut. Es war keine ungefähre Zahl, kein Schätzwert, es war eine Zahl - die ich zwar nicht benennen konnte, aber es gab kein hin oder her, es war wie die Verkündung der 10 gesetze für Moses. Kein Feilschen, kein schätzen, kein glauben, kein annehmen - dieses gefühl war absolut. In billigen Worten ausgedrückt einfach das beste. Hier und jetzt - wo immer das auch war, was immer es auch bedeutete - für mich war es alles.
So peitschte die Polaris immer weiter in die Nacht. Volle Fahrt - volle fahrt ins Ungewisse. Doch es gab nicht was mich Besorgnis hätte spüren lassen - denn hier war in diesem Moment das Zentrum des Universums, nichts besseres hätte sein können, keine Musik, keine Worte konnten dieses Gefühl beschreiben.
Ich blickte erneut in die Flasche Rum. Spät war es geworden, immer später sollte es werden wünschte ich mir. Zeit zu verschwenden. zeit konnte so viel bedeuten - an so vielen orten ging es gerade jetzt um zeit, menschen die zu spät waren, menschen die gestresst waren. Doch hier lachte der liebe Gott über solch primitive Dinge wie Zeit - hier war die zeit so viel Wert wie ein 2 DM Stück auf Papua Neuguinea, ein Ding aus einer anderen Welt.
Dein geld ist hier nicht wert, fremder! So oder so ähnlich hätte ich reagiert wenn mir die schwarzen herren aus Momo ihre Zeitzigaretten angeboten hätten. Jeder Versuch auch nur einen Blick auf die Rolex am handgelenk zu erhaschen zwecklos im Dunkel der nächtlichen Brücke. Sicherlich hätte ich Licht einschlaten können - aber warum?
Immer weiter trieb uns die Dunkelheit - ein kreuzzug ins Ungewisse. Seekarten hätte man studieren können, aber der Kurs stimmte ungefähr und es gab weder Gründe ihn zu überprüfen noch gründe ihn zu korrigieren. Was machte es schon aus? Wenn wir falsch lagen, so lagen wir eben falsch. Der Kurs war ungefähr Okinawa. Wenn wir es nicht morgen früh erreichen würden dann eben morgen mittag, oder morgen abend. Wie mag sich Kolumbus gefühlt haben mit seiner Reise ins Ungewisse? Machte er sich Sorgen? Schaute er auf die Uhr? Eine dumme frage, damals gab es wohl keine Uhren, zumindest keine Armbanduhren. Jemand der nicht hier an diesem ort zu dieser Zeit war konnte das nicht nachvollziehen. Dieses gefühl daß - was immer wir auch taten - daß wir gewinnen würden. Wenn nicht heute dann morgen.
Es muß auf einem Schiff wie der Polaris gewesen sein auf dem der Ausspruch »Der Weg ist das Ziel« entstanden ist. genüsslich blickte ich in die Dunkelheit und erwartete getrost was kommen möge.