Mimose
Bewertung: 5 Punkt(e)Was war das schlimm damals bei Julia, als dieser unzumutbare Test auf den Tisch kam, »Bist Du ein arges Mimöschen?« oder so, nur weil die Mädchen immer in der Psychologie herumbohren müssen, statt sich mit dem Dosenbier zufrieden zu geben. Und der dicke Christian fand das auch noch lustig, weil er sich mit Heike schon durch einen ausgelassenen Vollrausch in einem Zustand der Unangreifbarkeit gegen solche zersetzenden Untersuchungen befand. Die immer beklemmend feine und guterzogene Julia wollte nun aus ihren Abos von dem viel zu vielen Taschengeld einen zusätzlichen Nutzen schlagen, eine Analyse an einem dankbaren Kandidaten musste anstehen, eine gnadenlose Vivisektion am Fremdkörper, die Seele aufklappen und den Deckel anheben wie von einem Topf mit blutigem Fleisch. Haha, zum Schreien, hier ein Kreuz, zack und da eins, »der Freund Deiner Partnerin im Tanzkurs haut Dir eine in die Fresse, was machst Du?«, a,b oder c, also c, Zähne vom Parkett aufsammeln und schnell einen Zahnarzttermin machen, falsch, falsch, mimosenmäßig, Null Punkte. Dabei Julia immer mit huldreichem mildem Lächeln mitten aus ihrem Gesicht mit dem immer viel zu gesunden braunen Täng, auf demütigende Weise verständnisvoll, obwohl am Ende nur unspektakuläres Mittelmaß mit lediglich leichter Tendenz zur Empfindlichkeit rauskommt. Und Christian, der Sack, ist mit Heike auf der Couch am Rumgeiern und beantwortet nichts richtig, Fakeantworten, ungültig am Ende, wertlose Aussage. So ein dösiger Abend in Anwaltseinfamilienhäusern, entfaltete Seele als Hobby auf edlem Teppich, Toilette im Erdgeschoss und ersten Stock und der Golf der 18-Jährigen vor der Garageneinfahrt. Mit Julias eingeborenem Stil und dieser unausgesprochenen Forderung nach Charakter war jede Zukunft undenkbar. Am Ende kam noch ihre Mutter rein, wegen der potentiellen Schnittchen, direkt vom Match im Tennisdress. Dieses Haus war fürderhin ein unheimlicher Ort.