Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Königreich«
tootsie schrieb am 6.12. 2009 um 17:03:09 Uhr zu
Bewertung: 1 Punkt(e)
»Ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd!«
Shakespeare legt diese Worte seinem Richard III in den Mund. Gestern bin ich mal wieder in eines dieser unabhängigen, gemütlichen und kleinen Theater gegangen, die Platz für höchstens 50 Personen bieten. Diese Theater abseits von Mainstream und Institutionalisierung habe ich sehr zu schätzen gelernt. Die ungewöhnlichen Stücke, die dort gezeigt werden, bekommt man ja oft genug nur ein einziges Mal zu sehen. Alles wird liebevoll inszeniert und aus jedem Detail sickert das Herzblut.
Meine Entdeckung trägt den Titel »Ein Königreich für eine Fußbodenheizung«. Es geht um einen Zivi, der das Drogengeschäft seines Kumpels übernimmt und schnell zu beträchtlichem Reichtum kommt: als 19jähriger kann er sich ein Loft mit Fußbodenheizung leisten. Er genießt den Glamour und die Kohle, stolpert aber schließlich über seine Gier.
Das Stück erspart dem Zuschauer den erhobenen Zeigefinger; die Figuren sind glaubwürdig - sie tun, was sie tun, weil sie so sind, wie sie sind. Und lachen war auch erlaubt. Leicht verdauliche Kost, nicht unnötig verkompliziert und kein müßiges Moralisieren. Nachdenken muss man hinterher trotzdem.
Was mich an den Stoff fasziniert? Nun, ich kenne das Vogtland. Hinter den frisch geputzten Fassaden lauert die Langeweile. Junge Menschen sind dort fehl am Platz, und für diejenigen, die es nicht geschafft haben, aus diesem riesigen Altenheim fort zukommen, gibt es keine Zukunft. Was also tun? Drogen konsumieren und mit Drogen dealen. Es gibt nette Drogen und weniger nette. Eine fiese ist wohl das allseits beliebte Crystal. Das Zeug wird im Unterleib über die tschechische Grenze gebracht und in Deutschland mit allerlei ungesunden Zusätzen gestreckt. Schmutzig, gefährlich, aber die Geschäfte mit den Ahnungslosen laufen gut, weil sich die psychische Abhängigkeit sehr schnell einstellt. Auch diese Themen wurden im Theaterstück berührt. Ich glaube nicht, dass die Zuschauer auch nur geahnt haben, wie realistisch die geschilderten Vorgänge tatsächlich sind!
Ich bin selbst schon bei Kurierfahrten durchs Vogtland dabei gewesen. Allerdings geschah das eher unfreiwillig, weil ich sonst bei Nacht und Schnee neun Kilometer durch den Wald hätte stapfen müssen, um nach hause zu kommen. Ich bin auch schon in der einen oder anderen Wohnung gewesen, in der Zeug verkauft worden ist. Auch nicht all zu gerne, aber nachts durch den Wald latschen macht noch weniger Spaß. Da wartet man doch lieber, bis der Fahrer seine Angelegenheiten erledigt hat, oder man geht am besten gleich mit, um nicht bei Frost draußen hocken zu müssen.
Ich habe mir die Sache mehr als einmal angeschaut, und dabei erfahren, dass Dealen Vertrauenssache ist. Wohl war mir dabei nicht zu Mute, ganz im Gegenteil! Aber ich bin froh, einen kurzen Einblick in eine Welt bekommen zu haben, die mir sonst verschlossen bleiben würde. Und ich wusste nicht, welche Ausmaße diese geheimnisvolle Welt des Zwielichts und der grünen Grenzen hat! Wahrscheinlich wissen das nur die Insider, und die braven Bürger haben gar keine Ahnung, was sich da eigentlich tut in der Wohnung nebenan.
Ich möchte mit dieser Welt nichts zu tun haben, denn es ist eine verzweifelte Welt. Ihre Bewohner sind junge Menschen, die nicht gebraucht werden und das auch sehr gut wissen. Sie versuchen nur, mit der eigenen Überflüssigkeit auf ihre Weise zurecht zu kommen.
Natürlich kommen die Bewohner dieser Halbwelt irgendwann mit der Unterwelt in Berührung, wenn sie nicht aufpassen. Die Russenmafia kontrolliert das Geschäft mit Heroin und macht nicht viel Federlesens. Auch mit den Libanesen ist nicht gut Kirschen essen. Das sind brutale Kriminelle, und man kann ihnen nur das Handwerk legen, indem man Drogen legalisiert und den Drogenbossen die Geschäftsgrundlage entzieht.
Wer nichts über diese Welt nebenan weiß, der wird natürlich ein totales Verbot aller Drogen und härtestes Vorgehen gegen all jene fordern, die mit Drogen zu tun haben. So würde ich wahrscheinlich auch denken, wenn ich nicht selbst ein paar Abgestürzte und Hängengebliebene im Freundeskreis hätte. Und mir ist klar, dass unser Staat den abgefeimten Drogenbossen nichts entgegenzusetzen hat. Die organisierte Kriminalität kümmert sich nämlich einfach nicht um Verbote. Der Kampf gegen die Drogenbarone ist also sinnlos, teuer und gefährlich. Man kann ihnen einfach das Handwerk legen, indem man saubere Drogen in der Apotheke verkauft... Wer aber nichts weiß von den dunklen Königreichen, der wird schon den Gedanken daran höchst verwerflich finden und lieber weiter gegen Windmühlen kämpfen.
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