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positiv bewertete Texte
Der erste Text am 9.2. 2000 um 23:27:39 Uhr schrieb
Floedtz Pipa über Hendrix
Der neuste Text am 22.12. 2020 um 22:31:45 Uhr schrieb
GPhilipp über Hendrix
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am 30.12. 2005 um 00:39:58 Uhr schrieb
Isa über Hendrix

am 26.8. 2012 um 21:36:08 Uhr schrieb
gähn über Hendrix

am 4.9. 2004 um 09:42:58 Uhr schrieb
v.d.Knesebeck über Hendrix

Einige überdurchschnittlich positiv bewertete

Assoziationen zu »Hendrix«

® schrieb am 14.2. 2011 um 21:54:43 Uhr zu

Hendrix

Bewertung: 1 Punkt(e)

24.10.2008 | 1 Kommentar Interview Klaus Theweleit & Rainer Höltschl
»Hendrix ist der verglühende Meteor«
Jimi Hendrix Qualitäten als Lyriker, Sänger und Songwriter wurden meist unterbewertet, finden Rainer Höltschl und Klaus Theweleit, die jetzt eine neue Biografie des Ausnahme-Gitarristen veröffentlichten.


Jimi Hendrix beim Popfestival 1970 auf der Ostsee-Insel Fehmarn.
Foto: dpa

taz: Herr Höltschl, Herr Theweleit, was haben Sie Neues über den 1970 verstorbenen Gitarristen Jimi Hendrix herausgefunden, das noch eine Biografie rechtfertigt?

Rainer Höltschl und Klaus Theweleit: Noch eine Biografie wäre höchstens gerechtfertigt als knappere Synthese der Riesenbiografien, die es von Shapiro/Glebbeek, Cross und Murray gibt.

Hatte er nun eine Affäre mit Brigitte Bardot oder nicht?

Klaus Theweleit, Jahrgang 1942, ist einer der wichtigsten deutschen Kulturtheoretiker (»Männer-phantasien«). Außerdem Gitarrist.


Rainer Höltschl, Jahrgang 1961, ist freier Autor und Übersetzer mit den Schwerpunkten Medientheorie und Musik. Beide leben in Freiburg.



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ZUR PERSON

Die Legende: Jimi Hendrix (1942-1970) hat die Rockgeschichte des 20. Jahrhunderts durch sein Gitarrenspiel und seine ersten drei Langspielplatten »Are You Experienced«, »Axis: Bold as Love« und »Electric Ladyland« entscheidend geprägt. Vor vierzig Jahren, am 25. Oktober 1968, wurde das Doppelalbum »Electric Ladyland« in Großbritannien veröffentlicht. Es gilt bis heute als eines der bedeutendsten Werke zeitgenössischer Musik und wurde seine einzige Nummer eins in den USA. Die kommerziell erfolgreichste Single aus dem Album: Bob Dylans »All Along the Watchtower«.


Das Buch: »Jimi Hendrix. Eine Biografie« von Klaus Theweleit und Rainer Höltschl (Rowohlt, Berlin, 252 Seiten, 17,90 Euro) erscheint am 1. November.
Fragen Sie Brigitte Bardot.

Ihnen geht es um mehr …?

Ja, die Würdigung von Hendrix Einzigartigkeit in mehreren Punkten: seine herausragende Bedeutung als Körperverwandler durch elektrifizierte Musik; die Würdigung seiner Qualitäten als Lyriker, Sänger und Songwriter, die meist unterbewertet sind; und auch die Gewichtung seiner Figur in den Lebenskontexten der 60er- und 70er-Jahre.

Es war nicht die Spieltechnik, die Hendrix heraushob, sagen Sie, sonst wäre er nur ein besserer Eric Clapton gewesen. Es war ein anderer Gebrauch des Instruments, mit dem er in die »Electric Skies« strebte.

Ja. Er empfand sich als ein Anderer, gekommen aus elektrischen Sphären, der den Hörer abholt und auch dort hinführt. Elektrisch heißt bei ihm nicht nur lauter und intensiver, er spielte tatsächlich auf dem Verstärker. Er schloss seinen Körper mit dem Verstärker und seiner Gitarre zu einer neuen Existenzform zusammen.

Hendrix-Musik hören, sagen Sie, führe zu Körperveränderung, etwas wandere aus dem Körper aus und treffe sich mit Hendrix musikalischen »Space-ships«. Aber nur bekifft?

Verschiedene Psychoanalytiker haben von etwas Drittem im Raum gesprochen, einem dritten Subjekt oder einem tragenden Medium, in dem sich die Körper von Analytiker und Analysand treffen. Wir nennen das den dritten Körper oder das Schwingungsobjekt und behaupten, dass dieser Vorgang sich bei jeder intensiven Berührung von Körpern mit Kunstprodukten abspielt oder abspielen kann. Bekifftsein ist nicht die Voraussetzung; bei Hendrix-Musik aber eine bestimmte Lautstärke. Sonst kommt das nicht.

Hendrix arbeitete Ihrer Analyse nach an der »physisch-elektrischen Erlösung ins Jenseits des eigenen Körpers«. Das war Ende der aufgewühlten 60er. Wie relevant ist das heute noch?

So relevant wie je. Noch haben die Leute Körper, nicht eine Matrix. Diese Körper wollen ein Jenseits von sich. Nicht ein Drüben, sondern diesseitige Verwandlung. Das nennt man Leben.

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Hendrix, der Lyriker, hatte es konsequenterweise mit Engeln, Gestirnen, Reisen durchs Weltall. Sind das Texte, die nur unter Drogen entstehen können?

Drogen auch; ab Ende 1966 gibt es so gut wie kein Konzert mehr ohne LSD. Aber ein Musiker wie Sun Ra mit seinem Solar Myth Arkestra und der Behauptung: »Im from Saturn« gelangte auch dahin, ohne große LSD-Dosen. Es ist die Selbstwahrnehmung dieser Musiker, nicht einfach Teil der Black Community zu sein wie die Blues- und Soulsänger.

Und auch nicht Teil des weißen Popmarkts?

Nein. Hendrix entsprechendes »Im from Mars« legt die Basis des eigenen Sounds in den »Weltraum«, ähnlich der »Sphärenharmonie« der frühen europäischen Musiktheoretiker. Bloß wollten die »Gottes Harmonien« gehört haben in Davids Sphärenharfe, so ähnlich auch noch Mahler zu seiner dritten Symphonie; während es Sun Ra oder Hendrix um das Außerordentliche, um das noch nie Gehörte der extraterrestrischen Klänge geht. Dieses schließt vor allem den Schrei ein und entfesselte Rhythmen, das Transgressive in der Musik. In den Texten affektive Vermischungszustände: Neue Körper »from out there«.

Indem Hendrix von der Norm westlicher Musik abwich, verstärkte er die Körperlichkeit, sagen Sie. Wie geht das?

Musik - nicht nur Rockmusik - ist prinzipiell die körperveränderndste Kraft unter den Künsten. Sie geht nicht nur ins Ohr, sie geht auf die Haut, sie geht direkt in die Muskulatur. In der westlichen Norm dabei oft als gewalttätig, zum Beispiel in der körperformierenden Marsch- und Stiefeltrittmusik. Jede Abweichung setzt dabei automatisch eine andere Körperformation. Musik kämpft um die Körper der Anhängerschaft, immer.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich der Droge Blutrausch, Rassismus, Auslöschung verschrieben, schreiben Sie. Die Elektrifizierung der Musik in den 60ern sei Kidnapping von Kriegsgerät zum Zwecke der Enteignung. Was heißt das?

Blutrausch, Rassismus, Auslöschung anderer wurden nach 1945 in Westeuropa erst mal abgesetzt, jedenfalls als Generallinie. Die Elektrifizierung im frühen Rock ab 1955 trieb die dazugehörige Generation, die erste nicht militarisierte Generation, auf Tanzflächen, Straßen und in Konzertsäle. Kritische Geister wie Friedrich Kittler haben das als Missbrauch von Militärgerät bezeichnet; denn die ganze im Rock eingesetzte explosive Elektronik wurde im Zweiten Weltkrieg zuerst als Kriegsgerät erfunden und entwickelt. Wir ersetzen das Wort Missbrauch lieber durch Kidnapping; denn für eine Weile funktionierte diese Enteignung in einem friedlich emanzipatorischen Sinn.

Dass die USA 1969 Astronauten auf den Mond schießen, war dem Weltraumforscher Hendrix egal. Warum?

Weil seine Musik bessere Wege zeigt, auf den Mond zu kommen; ohne Raketenquatsch. Diese tötenden Dinger in »Lippenstiftform«, wie er in einem Song formuliert, sind das fiese Gegenstück seiner eigenen Raumexplorationen.

»Have you ever been to Electric Ladyland« aus dem Titelsong des 1968 erschienenen Albums »Electric Ladyland« sei eine Zauberformel wie das »Please allow me to introduce myself« der Rolling Stones aus »Sympathy for the Devil«? Inwiefern?

Die Formel der Stones: Introducing myself as man of wealth and taste, als The Devil, als der Teufel persönlich, war die Übertretungsformel in alle Bereiche des Verbotenen. Die teuflischen kleinen Jungs und Mädchen tun nicht mehr, was Daddy and Mommie ihnen sagen. »Sympathy For The Devil« ist damit das Initiationsstück für alle Übertretungswilligen der 60er-Jahre. »Have You Ever Been To Electric Ladyland« erweitert das auf eine Art übermenschlichen elektronischen Körper hin; ohne dass etwa Roboterhaftes gemeint wäre. Nein, die elektrifizierte Gitarre als metamorphotische Kraft; hinein in den neuen Geschichtskörper der Menschheit.

Hendrix hat Frauen geschlagen. Ist das ein vernachlässigbares biografisches Detail?

Nein, absolut nicht. Die Spaltung bei ihm ist besonders krass: Verführer mit jungenhaftem Charme und großem Zärtlichkeitspotenzial; auf der anderen Seite Teil der farbigen Macho-Musikerszene, wo man zuschlägt, wenns nicht läuft. Die Aggressivität dann besonders gegen die vertrauten Frauen. Und er ist selbst geschlagenes Kind, vom Vater. Man wird so etwas nicht im Handumdrehen los.

Hendrix »ging« durch unzählige weiße Frauenkörper »durch«, schreiben Sie, dazu die schwarzen Frauenkörper seiner Kindheit und die Gitarrenkörper, die Körper des elektrischen Universums, alle benutzte er, geilte er auf, zerstörte er, im Streben nach, ja, nach was?

Vermutlich nach dem, was die Stones Satisfaction nennen; von dem keiner sagen kann, was es genau ist; weil es den Zustand der Befriedigung nicht gibt. Bei Hendrix wäre das am ehesten der Zustand des andauernden Spielens. Auf jeder Ebene, am allerliebsten aber Spielen im Studio auf und mit den neuesten elektronischen Equipments. Streben nach neuen Soundwelten; danach war sein Hunger unstillbar. Übrigens: Bei über 500 Auftritten zerstörte er nicht einmal zehn Gitarren; und verzehrt hat er vor allem sich selbst.

Sie sehen Hendrix in und nach seinem Tod von seinen Anhängern in einem Opferritual gebraucht wie die RAF. Wo ist der Zusammenhang?

Der RAF in der Absolutheit ihrer Ansprüche nach 1975 konnte niemand mehr folgen, ohne sich selbst auf einen potenziellen Selbstmordtrip zu begeben. So weit wollte in der Gefolgschaft der »Sympathisanten« aber kaum jemand gehen. Also musste die RAF irgendwie verschwinden, damit man in friedlichere Politikgewässer hinübergleiten konnte. Der Tod der RAF ist die Gründungsvoraussetzung von Grün als Partei. Mit der RAF im Rücken hätte man keine ökologischen Forderungen stellen, kein Green Peace machen können, keinen Parlamentarismus.

Und das Hendrix-Modell

war in seiner schließlichen Zuspitzung war auch nicht recht lebbar: die Verschlingung von höchster artistischer Radikalität, Drogenexzess, ins Überpersönliche reichenden Sexwahn und dazu Beharren auf der eigenen Außerweltlichkeit. Too much insgesamt. Wie übrigens auch bei Che Guevara. Der sollte auch weg - und wir denken, die Über- oder Weiterlebenden wissen etwas von diesem Opferungsprozess.

Ist für Sie Hendrix und nicht Dylan der herausragende Musiker der letzten fünfzig Jahre?

Als Musikerverwandler ganz sicher Hendrix; was wohl auch Dylan so sieht. Als Hendrix Dylans Stück »All Along The Watchtower« grandios elektrifizierte, hat Dylan Hendrix Version sofort übernommen. Dylan ist Familie, Kinder, Scheidung. Er ist die herausragendste Verkörperung von Figuren wie du und ich. Er kommt immer wieder, wie der Abendstern. Jimi Hendrix dagegen ist der verglühende Meteor mit der Nachricht vom Ungeheueren.

INTERVIEW: PETER UNFRIED

Voyager schrieb am 28.6. 2001 um 20:37:45 Uhr zu

Hendrix

Bewertung: 4 Punkt(e)

Jimi Hendrix war der erste, der die elektrischen Verstärkungsmöglichkeiten einer Gitarre bis an die Grenzen auslotete. So hat er den Menschen die ganze Bandbreite eines jeden einzelnen Tons zu Gehör gebracht. Niemand nach ihm hat dieses Experiment wiederholen können.

julian edenhofer schrieb am 2.8. 2001 um 18:37:07 Uhr zu

Hendrix

Bewertung: 5 Punkt(e)

Ich finde ihn gut!
Aber man sollte sein Werk mit kritischer Distanz sehen - es wäre schön mal wieder eine platte mit Hendrix Songs aufzunehmen, die mehr das verspielt leichtfüßige in seiner Musik betonen würden und seine Jazz Roots.
Hendrix war nicht nur Hard Rocker!

wuming schrieb am 30.12. 2008 um 03:42:41 Uhr zu

Hendrix

Bewertung: 1 Punkt(e)

28.12.2008
Jimi Hendrix im Jahr 1970 (Bild: AP Archiv) Der verglühende Meteor
Reiner Höltsch/Klaus Theweleit: »Jimi Hendrix. Eine Biografie«, Rowohlt
Von Walter van Rossum
1966 entsteht die Jimi Hendrix Experience mit dem Schlagzeuger Mitch Mitchell und dem Bassisten Noel Redding. Ende des Jahres nehmen sie die ersten Songs auf: »Hey Joe« und »Stone Free«. Im Mai 1967 erscheint die erste LP »Are you experienced?«. Sie erreicht sofort Platz zwei der UK-Charts. Im Juni 1967 setzt Hendrix zur Eroberung des amerikanischen Marktes an. Der Rest ist Rockgeschichte.

Castle made of sand

Die Straße runter hörst du den Schrei »Du bist eine Schande«,
Als sie die Tür in sein besoffenes Gesicht schmeißt.
Und jetzt steht er draußen und all die Nachbarn klatschen und geifern.

Besser kann man die Situation im Sommer 1970 nicht beschreiben: Jimi Hendrix fliegt aus seinem Leben, und die Leute schauen schaudernd und geniert zu. Am 30. August beim Konzert auf der Isle of Wight setzt ein randalierendes Publikum die Bühne in Brand. Wenige Tage später kollabiert Hendrix auf der Bühne von Aarhus in Dänemark nach acht Minuten. Auf der Ostseeinsel Fehmarn stürmt und regnet es. Die Hells Angels, als Ordnungskräfte angeheuert, hauen das Festival zu Klump.

Hendrix bricht das Konzert ab. Es war sein letztes großes. Am 17. September 1970 tritt er abends zusammen mit Eric Burdon & War im Ronnie Scotts Club in London auf. Mit seiner Freundin Monika Dannemann kehrt Hendrix ins Hotel Samarkand zurück.

Dannemann nimmt eine Tablette Vesparon, ein Schlafmittel, und schläft tatsächlich bald ein. Jimi Hendrix hat seit Wochen kaum mehr geschlafen, ist total erschöpft. Die Dauereinnahme von LSD, Speed und Alkohol hat jeden natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus zerstört. Hendrix nimmt neun Vesparon. Da entspricht der fast 20-fachen Dosis eines Mannes seiner Konstitution. In der Nacht erstickt Hendrix an seinem Erbrochenen. 27 Jahre alt.

Castle

Unmittelbar nach seinem Tod und noch jahrelang kursieren Gerüchte: war es vielleicht ein Selbstmord oder gar Mord? Oder war es letztlich doch ganz einfach ein »tragischer Todesfall«?

Nein, das ist bloß ein Abschiebe-Wort. Wir sehen eine Verkettung von Umständen, die nicht nur Verkettungen dieses Todestages und der Nacht davor sind, sie erstrecken sich über Monate.

Schreiben Klaus Theweleit und Rainer Höltschl in ihrer Biographie über Jimi Hendrix.

Es gibt Tötungsarten, für die 'Mord' nicht das richtige Wort ist; 'Unachtsamkeit' auch nicht. Es handelt sich eher um so etwas wie eine insgeheime Übereinkunft unter vielen, dass 'jemand weg soll', 'seine (oder ihre) Zeit um ist'. Dieser soziale Abführvorgang trifft speziell öffentliche Durchbruchsfiguren, die nicht mehr gebraucht werden von ihrer Umgebung, die zu einer Belastung für die psychischen Balancen ihrer Anhänger werden. Weil die Ansprüche, die sie verkörpern, zu groß, womöglich unerfüllbar sind. (...) Das treffendere Wort wäre Opferung, ein semireligiöses Opferritual, halb unbewusst, halb zielsicher durchgeführt.

Theweleit und Höltschl vergleichen seinen Tod mit dem Tod von Che Guevara und den Toten der ersten RAF-Generation. In ihren Augen ist es ein Tod, der das kollektive Verlangen nach dem eigenen Verschwinden vollstreckt: Die Sympathisanten leiden unter den Ansprüchen ihrer Helden, sie wollen zurück ins 'normale' Leben.

Das Opferritual hat Reinigungszweck. So wie viele der RAF-Sympathisanten sich nach vollzogener Reinigung von ihren 'bösen' Umsturzgedanken befreien und einem friedlich grünen parlamentarischen Leben zuwenden konnten - was sie sich die ganze Zeit gewünscht hatten -, kulminierend in einer großartigen 'Friedensbewegung', so konnten nach Hendrix' Verschwinden in der Drogenkotze alle, die mit Jim Morrison, Janis Joplin oder 'Jimi' wild Aufgebrochenen der Sechziger ihre Amphetamine, ihr Kokain, ihr LSD wieder in die Teil-Verbannung tun; ihre Übertretungen zurückschrauben auf ein vernünftig dosiertes Alltags-Maß.

Man könnte sagen: vor solchen Dosen moderierter Vernunft wollen die beiden Autoren Jimi Hendrix retten. Nicht noch so eine Genie-Biographie, die sentimentale, alt gewordene Jungs und Mädchen an ihre wilde Jahre erinnert. Ist es überhaupt eine Biographie. Noch eine Hendrix-Biographie? Man darf bei Autoren wie Klaus Theweleit und Rainer Höltschl getrost davon ausgehen, dass sie mit der Rhetorik der geläufigen Lebenserläuterungen wenig im Sinne haben. Man kann auch sagen: in ihrem Buch steht wenig Neues, was die Daten und Fakten angeht. So werden wir also auch hier nicht erfahren, ob Jimi Hendrix ein Verhältnis mit Brigitte Bardot hatte oder nicht. Es ist eher der Versuch, über einen Menschen zu reden, dessen Musik vielen von uns noch in den Knochen steckt, ebenso wie seine Zeit, die wenigen Jahre seines rauschhaften Höhenflugs.

In den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurden alle ästhetischen Regeln des sogenannten Abendlandes mehr oder weniger aufgelöst; manche nur vorübergehend, andere dauerhaft. Das Gleiche geschah den Formen des Zusammenlebens, den Formen der Liebe; es geschah öffentlich, und es geschah in technisch medialen Verkoppelungen. Hendrix ist nicht nur Teil all dieser Veränderungen, er verkörpert in expressivster Weise diese Züge in seiner Musik.

Es ist gewiss kein Zufall, dass dieses Buch Ende 2008 erscheint. Am Ende eines Jahres also, in dem mal wieder enorm Vergangenheit bewältigt wurde, und die Jugendsünden einer Generation besichtigt wurden - halb als kollektive Kriminalisierung, halb als neckisches Photoalbum. Mit dieser Hendrix-Biographie wollen Theweleit und Höltschl sich gewiss nicht in die Debatte einschalten - sondern allenfalls gegen diesen Kontext anschreiben. Klaus Theweleit, Jahrgang 1942, hat selbst eine sogenannte 68er Vergangenheit. Darüber hat er sich schon verschiedentlich geäußert. Theweleit war im Freiburger SDS, er hat sich aber Anfang der 70er Jahre von dieser Sorte Engagement verabschiedet als die Weltverbesserung mehr und mehr zu einer Angelegenheit von rüden Politkommissaren und K-Gruppen mutierte. Trotzdem wurde er vom Berufsverbot getroffen. Aus diesem Verbot entstand der Schriftsteller und Theoretiker Klaus Theweleit, der mit seinem ersten großen Buch »Männerphantasien« weithin bekannt wurde. In diesem Buch untersuchte Theweleit die Landserliteratur und ihr Weltbild. Was ihn von Anfang an interessiert, ist der Zusammenhang von Individuen und Systemen, von Personen und Kollektivzuständen. Und vermittelnd zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen spielen die Körper und die Sinne dabei eine große Rolle. Und Jimi Hendrix ist für Theweleit und Höltschl der Körperverwandler schlechthin.

Hendrix' Musik ist die unauflösliche Verschaltung der Musik, der Gitarre mit seinem eigenen entgrenzten Körper, seiner Kleidung, seinen Mitspielern, den Frauen, den Zuhörern, den Schwingungen des Alls, dem Rauschen und Singen der Geräte, ein neuer Song, eine neue Art Strom, eine neue Wirklichkeit, so machtvoll wie fragil.

Fire

Jimi Hendrix wurde am 27. November 1942 In Seattle im US-Bundesstaat Washington als Sohn von James Allen Hendrix und Lucille Jeter geboren. Der Vater war Afroamerikaner und seine Mutter indianisch-irischer Abstammung. Zur Zeit seiner Geburt war sein Vater beim Militär, die Mutter ist gerade mal 17 Jahre alt, als Jimi geboren wird und rasch überfordert mit dem Kind, es wächst mal bei Großeltern, mal bei Freundinnen und Verwandten auf. Das ändert sich auch nicht, als der Vater nach Hause kommt. Im Gegenteil, die Ehe läuft miese und wird 1951 geschieden.

Castle

Castle made of sand. Sandburgen. Krasse Armut und Ungeborgenheit prägen die Jugend des kleinen Jimi. Seine Mutter verfällt dem Alkohol und stirbt 1958.

Hendrix in sich zurückgezogen, spricht nie über den Tod seiner Mutter (...) Aber kurz nach ihrem Tod, im Frühjahr 1958, beginnt der Fünfzehnjährige mit dem Schreiben von Songs - in den Träumen und in den Liedern bleibt die Sehnsucht nach Lucille lebendig.

Castle

Da war ein junges Mädchen, ihr Herz war finster
Denn sie war ein Krüppel für immer, brachte kein Wort heraus
Und sie wünschte und betete, sie könnte ihr Leben anhalten, und dann beschloss sie zu sterben.

Drei Jahr zuvor hatte Jimi sein erstes Instrument bekommen, eine alte einsaitige Ukulele. Dann eine gebrauchte akustische Gitarre. Die erste elektrische 1958. Und ab jetzt legt er die Gitarre kaum mehr aus der Hand. 1959 fliegt er von der Schule und rutscht auf jene schräge Bahn, die auf seinesgleichen lauert. Nach einem Autodiebstahl muss er für ein paar Tage in den Knast. Er erhält Bewährungsstrafe - unter der Voraussetzung dass er sich bei der Army verpflichtet. Das tut er, er landet bei einer Luftlandedivision und nach zwei Dutzend Absprüngen mit dem Fallschirm hat er die Nase voll vom Militär. Er simuliert Homosexualität und wird entlassen. Jetzt zwanzig Jahre alt, unentwegt auf der Gitarre spielend, streift er durchs Land, spielt in Dutzenden Gruppen und lebt von der Hand in den Mund und manchmal von nichts.

Foxey Lady

Eine Art Durchbruch geschieht Ende 1965: Er unterschreibt seinen ersten Plattenvertrag. Ein Prozent des Plattenverkaufs stehen ihm zu. Das wird später noch für Ärger sorgen. Überhaupt darf man die Gestalten im Musik-Business schlicht mafiös nennen. Aber jetzt kann Jimi in bestimmten New Yorker-Clubs auftreten. Da wird er entdeckt, aber zuvor entdeckt er LSD, diese halluzinogene Droge spielt zweifelsohne eine große Rolle bei der Entwicklung seines Musik-Projekts: der Eroberung der Electric Skies.

Diese Umwelt als Ganzes ist selbst ein innerer Trip ohne die Beihilfe von Drogen.

Schreibt der Medientheoretiker Marshall McLuhan über diese Zeit der beginnenden Elektronisierung.

Der Impuls, Halluzinogene zu benutzen, ist der Versuch, sich in die elektronische Umwelt einzufühlen.

In einem Club von Greenwich Village hört ihn Chas Chandler, Bassist der Animals, der ins Managergeschäft wechseln will. Chandler nimmt Hendrix unter Vertrag und nimmt ihn mit nach London. Von London aus wird Hendrix in seine Umlaufbahn geschossen. Jeder, der ihn hört, und darunter sind viele Stars der Branche, fragt sich, wie ein Mann das aus einer Gitarre rausholen kann.

Foxey Lady

Und das Geheimnis lösen auch Theweleit und Höltschl nicht. Es ist mehr als die Virtuosität auf dem Instrument, mehr als Inspiration, es ist auch eine konsequente Verschaltung des Musikers mit seinem Gerät.

Die Hendrix'schen Spieltechniken allein hätten es nicht gemacht; sie hätten einen Gitarrenvirtuosen ergeben; einen weiteren Eric Clapton, plus/minus. Hendrix ist eine andere Figur. ER macht einen anderen Gebrauch von diesen Geräten. Sie sind ihm nicht nur Verstärker seiner Gitarre, sondern Amplifier des Wunsches nach einer anderen Galaxie; Verstärker seiner Ausbruchssehnsucht, Raumschiffe zu einer anderen Körperbasis, von der aus die Electric Skies zu erreichen sind. Jener Himmel, in dem sich alles wiederfinden lassen würde, was einmal da war oder vielmehr nicht so dar war, wie es hätte sein sollen. Wiederfinden lassen als Sound.

EXP

Die Zentraldroge der Sechziger - Music is the healing Force of the Universe - verschob die politische Szenerie komplett. Resultat war eine Generation, von der nicht primär Tötungen verlangt waren und die auch nicht danach verlangte. (...) Der entscheidende Schritt von der Blues- und Soul-Welt zur neuen Galaxie der Rockmusik liegt in den neuen Verstärkern, liegt in der potenzierten Elektrifizierung.

EXP

Und seitenlang beschreiben Theweleit und Höltschl den Soundtüftler Hendrix, den Typen, der nächtelang in Studios experimentiert und sich konsequent mit dem elektronischen Gerät verschaltet.

Voodoo Child

1966 entsteht die Jimi Hendrix Experience mit dem Schlagzeuger Mitch Mitchell und dem Bassisten Noel Redding. Ihren ersten gemeinsamer Auftritt absolviert die Gruppe im Pariser Olympia als Vorgruppe von Johnny Holiday. Ende des Jahres nehmen sie die ersten Songs auf: Hey Joe und Stone Free. Im Mai 1967 erscheint die erst LP Are you experienced? Sie erreicht sofort Platz zwei der UK-Charts. Auf Platz eins stehen die Beatles mit Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band. Interessanterweise gehören die Beatles zu den größten Fans von Hendrix.

Im Juni 1967 setzt Hendrix zur Eroberung des amerikanischen Marktes an. Jimi Hendrix Experience spielt auf dem Pop Festival von Monterey in Kalifornien. Statt der erwarteten zehntausend strömen neunzigtausend Menschen zusammen. Es spielen The Animals, Simon& Garfunkel, Canned Heat, Janis Joplin, Jefferson Airplane, Otis Redding, The Who, Grateful Dead, dann kündigt Brian Jones von den Rolling Stones Jimi Hendrix an -und der legt los:

Aus einem Rückkoppelungs-Steig- und Sturzflug heraus Wild Thing mit allen Tricks, erst jetzt die entfesselte Show auf einer weißen eigenhändig mit schwarzen Girlanden bemalten Strat: Jimi auf den Knien, mit Gitarre Rolle rückwärts, Spiel hinter dem Rücken, Sex mit der Gitarre vor den Verstärkern und auf ihr reitend, bevor sie im Feuer geopfert wird, zertrümmert und verteilt als schwerverdauliche Gabe an die Mitglieder des gerade entstehenden Electric Music Church. Schock, Entsetzen, eher als Begeisterung, Bewusstsein eines Einschnitts - verstörend, fast zu wild für harmoniesüchtige Flower-Power-Kids.

Die Los Angeles Times schreibt über diesen Auftritt, damit sei Jimi Hendrix vom Gerücht zur Legende ausgestiegen. So ist es. Doch die Legende hat nur noch drei Jahre zu leben. Als man später den Bassisten Noel Redding befragte, wie viele Konzerte sie im Jahr gegeben hätten, antwortete der: dreihundertfünfundsechzig. Das stimmte nicht ganz. Tatsächlich waren es fünfhundertsiebenundzwanzig Konzerte in knapp vier Jahren, also im Schnitt alle zwei bis drei Tage ein Auftritt.

Doch es gibt noch das Konzert von Woodstock im August 1969: das größte Rockfestival aller Zeiten bis dahin und Legende seitdem. Jimi Hendrix und Band sind für den Abschluss am Sonntag Abend angekündigt. Regen und schlechte Organisation schieben den Auftritt immer weiter nach hinten. Schließlich legen sie am Montag Morgen um halb neun los. Es sind nur noch 40.000 von den 500.000 Menschen da, und die sind nicht mehr ganz frisch. Doch Jimi brennt das längste Konzert seiner Karriere ab, und dann kam Star-Spangled-Banner:

Star-Spangeld-Banner

Das war der mitreißendste Moment von Woodstock, und es war wahrscheinlich der großartigste Augenblick der 60er Jahre. Endlich hörte man, worum es in dem Song ging: dass man sein Land lieben, aber dessen Regierung hassen kann.

Schreibt Al Aronowitz in der New York Post und Hendrix selbst gab zu Protokoll:

Fünfhunderttausend Heiligenscheine überstrahlten den Matsch und die Geschichte. Wir badeten in Gottes Freudentränen und tranken davon. Und endlich einmal war die Wahrheit für niemanden mehr ein Rätsel.

Klaus Theweleit und Rainer Höltschl haben ein großartiges Buch geschrieben. Es spricht weit entfernt von aller Veteranenseligkeit, vom Fetishgeblubber gewisser Rock- und Pophistoriker, es erzählt von einem außergewöhnlichen Projekt, mit Musik die Körper zu durchdringen, um ein Jenseits von sich zu erschaffen, eine diesseitige Verwandlung. Das hat viel zu tun mit uns.

Moon, moon, turn the tides

So runter und runter und runter und runter gehen wir
Beeil dich, mein Herz, wir sollten die Show nicht verpassen.

Als Hendrix Dylans Stück All along the watchtower grandios elektrifizierte, hat Dylan die Hendrix-Version sofort übernommen. Dylan ist Familie, Kinder, Scheidung. Er ist die herausragendste Verkörperung von Figuren wie du und ich. Er kommt immer wieder, wie der Abendstern. Jimi Hendrix dagegen ist der verglühende Meteor mit der Nachricht vom Ungeheuren.

Klaus Theweleit, Rainer Höltschl: Jimi Hendrix. Eine Biographie. Rowohlt Berlin 2008. 255 S. EUR 17,90


Donerhardo schrieb am 1.9. 2005 um 14:28:44 Uhr zu

Hendrix

Bewertung: 1 Punkt(e)

Jimi Hendrix ist ....also eigentlich aus einer anderen Dimensieon glaube ich...
Nie zuvor oder danach hat mich Musik so berührt wie damals als ich vor 10 Jahren zum ersten mal »electric Ladyland« gehört habe. Wenig später dann als ich zum ersten mal ein live bootlag von der expirience gehört habe und ich feststellen musste das live ja überhaupt NOCHMEHR die post abgeht war für mich der sprichwörtliche Groschen gefallen. Dieser Mann war genial, und gäbe es eines Tages eine Zeitmaschiene, würde ich sie benutzen um ihn einmal live zu sehen.

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