Domorgelplattenverkäufer
Bewertung: 4 Punkt(e)
Aufgrund unserer Angewohnheit, in jeder größeren Kirche eine Aufnahme mit Orgelmusik zu erwerben, sind K* und ich schon einer ganzen Reihe von Domorgelplattenverkäufern begegnet; sicher nicht ausreichend, um eine vertiefte Studie dieses Ehrenamtes zu zeichnen, doch einige Anmerkungen seien beigetragen:
Domorgelplattenverkäufer umweht eine Aura aus Frühverrentung und Zähigkeit. Der jahrelange Aufenthalt in unzureichend geheizten Gemäuern, der tägliche Kontakt mit Infektionsträgern und der Mangel an Tageslicht lassen Domorgelplattenverkäufer oftmals hinfällig bis an die Schwelle des Todes wirken, sie offenbaren jedoch in Krisensituationen wie der Abkanzelung von Mützenträgern und der Lagebeschreibung von Sanitärgelegenheiten eine erstaunliche Hartnäckigkeit.
Flexibles Reagieren auf den Kenntnisstand der Kaufinteressierten ist das A&O zeitgemäßen Domorgelplattenmarketings. Einem emeritierten Musikwissenschaftler mit einem perversen Interesse an mechanischen Schleifladen muß ebenso Genüge getan werden wie schwärmerischen Orgelkuschlern. Mustergültig hier der Domorgelplattenverkäufer zu Passau, dessen Dom mit der größten, wenngleich nicht wohlklingendsten katholischen Kirchenorgel der Welt aufwartet: »Nehmen Sie diese, das ist die lauteste...«
Da jede Orgel durch ihre Registerwahl nur jeweils eine musikhistorische Epoche angemessen wiedergeben kann, gehört eine gewisse Nibelungentreue zum idealen Musikkanon zum Handwerk des Domorgelplattenverkäufers. Elegant variiert wurde dies durch den Domorgelplattenverkäufer des Verdener Domes, der auf die Frage nach verfügbaren Pressungen der neobarock gehaltenen Hillebrandorgel zu Aufnahmen mit der dem romantischen Klangbild verpflichteten Furtwängler–Orgel riet und auf den Einwand, wir seien keine Freunde spätromantischer Orgelmusik, entgegnete: »Ist aber mehr von da!«