DerSagenumwobeneKelchderKotze750
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"Es waren schöne Stunden, die wir im tiefen Rausch erlebten. Der gnädige Rausch, sanft vor der Unbarmherzigkeit des langsamen, quälenden Erwachens, den güldenen Kelch ins Sonnenlicht haltend, auf daß er die warmen Strahlen bündele, in den Raum werfe und alles in das gleißende Licht tauche, an dem wir uns schon so oft gelabt hatten. Erdenschwere ward so allmählich fremd und fremder, nur noch punktweise zur Geltung gebracht durch das Gefühl der Ernüchterung, für welches es aber nun allerdings probates Gegenmittel gab, ein Tonikum zur Linderung, zur prekären Genesung, auf deren Krisis und Scheitelpunkt - an dem sich die irdenen Mühen schon, denn sie sind allzeit allzu bereit dazu, wieder darauf vorbereiteten nur umso nachdrücklicher da ungehemmter zu Wort zu kommen - man sich quasi als Schwebender zwischen den Zeiten vorfand, so als ob man diese Welt bereits verlassen hätte, um im Geiste aber umso mehr an ihr Teil zu haben, dergestallt im Einklang mit der Schöpfung, als sei man in füglichster Harmonie ein Oberton desjenigen Klanges, welcher seit dem ersten der sieben Tage das Weltenall erklingen läßt.
Wohlig war das sanfte entgleiten in Morpheus Sphäre, und wie gerne doch wohnten wir den auf so angenehme Weise ungeselligen Gastmählern bei, die Hypnos Sohn zu Ehren seines Vaters hielt.
So ist der Mensch, das Menschentum. Es greift dort nach den Sternen, wo ihm auch nur der Abglanz der Sonne versagt bleibt. Über den Kelch voll Kotze ist aber meist kein transcendirn, dies die Tragödie, die hier innewohnt."
(aus: Johann Wolfram von Göthe: Im Hause der Comtessa Kunigunde zu Torino. Jugenderinnerungen.)