Bruttoglücklichkeit
Bewertung: 2 Punkt(e)
Seit ein paar Wochen beobachte ich es: Das, was ich immer für gespielt hielt, die Leute in den Hollywood-Filmen, wie sie ihr Leben in ihrer Wohnung verbringen, so ganz normal, so professionalisiert, so routiniert - dieses Tagein-Tagaus - es hat mich auch erreicht. Es ist, als hätte man mir die Schutzhülle abgenommen, unter der ich Kind blieb.
Jetzt aber, schutzlos, erwischt mich das Erwachsenenleben mit aller Härte. Wie ein Sprung ins kalte Wasser. Vieles, was vertraut war, hat plötzlich seine Bedeutung verändert. Flackert wild, zeigt sich mir von Seiten, die ich nicht kenne und die in mir ein ständiges Unbehagen auslösen. Dabei könnte ich zufrieden sein. Ich könnte dieses Leben akzeptieren, es ist mit Sicherheit nicht das schlechteste. Mal abgesehen von der Tatsache, das mir genau das fehlt, was ich als Quell des Glücks bezeichnen würde, eine Frau. Aber ansonsten ist ja alles im grünen Bereich. Ja, es ist sogar spannend, so, wie ich es immer wollte. Es ist herausfordernd, es bringt mich an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit. Es macht Spaß. Und dennoch sind da Momente, in denen ich mir immer wieder erklären muß, daß ich glücklich sein könnte. So wie jetzt. Anstatt einfach glücklich zu sein.
Den Beobachterstatus hatte ich schon immer inne. Nun aber verabscheue ich ihn. Nun aber will ich in das Leben eintauchen und kann es nicht. Sinnkrise. Denkdenkdenk. Zwischen Nichtabschalten- und Nichteinschlafenkönnen. Habe ich eine gewisse Bruttoglücklichkeit erreicht und mich bereits so stark daran gewöhnt, daß ich sie nicht mehr wahrnehme und nun der Meinung bin, so etwas wie Glück würde es nicht geben?
Nein - das Ganze ist ja sofort vorrüber, sobald ich kommunizieren kann. Sobald da jemand ist, der mir zuhört. Oder dem ich zuhören kann. Dann kann ich wieder lächeln.