Florian Cramer <paragram@gmx.net>
Thesen zum digitalem Text
1. Computer und Internet basieren auf Code, d.h. Text. Auch alles
»Multimediale« im Computer wird textuell gespeichert und prozessiert.
2. Begriffe wie »Nonlinearität« und »Interaktivität« sind Schein-Neuerungen
für das Verständnis von Text. »Text« von »Hypertext« zu unterscheiden,
ist eine computertechnische Konvention, die nicht auf einen
literarischen Textbegriff übertragbar ist.
3. Digitaler Code ist nicht manipulierbarer, rhetorischer oder
»virtueller«, als jeder Text es schon immer war.
4. Allerdings werden andere Medien - Bild- und Tonaufzeichnungen z.B. -
durch ihre digitale Codierung entlinearisiert, rhetorisiert und textuell
manipulierbar.
5. Vernetzte Computer sind nicht bloß ein Medium, d.h. eine Instanz
zwischen Sender und Empfänger, sondern universelle semiotische
Maschinen, die Zeichen prozeßgesteuert generieren, übertragen und
interpretieren.
6. Eine Literaturwissenschaft des Internets verkennt daher ihre eigenen
methodischen Vorteile, wenn sie nur Medienwissenschaft sein will oder
glaubt, Kulturwissenschaft sein zu müssen.
7. Das Neue am digitalen Text ist, daß er maschinell ausführbar sein, sich
selbst replizieren und modifizieren kann. Deshalb sind z.B.
Computerviren für die literaturwissenschaftliche Reflexion des Internets
interessanteres Material als »Hyperfictions«.
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