Ich fahre die Landstraße entlang. Plötzlich taucht noch in einiger Entfernung vor mir ein Vogel auf, vermutlich ein Spatz, der mitten auf dem Asphalt damit beschäftigt ist, auf irgendetwas offensichtlich Essbares hektisch einzupicken. Ich denke mir, der fliegt früh genug weg, wenn er mich kommen sieht, und er kann mich nicht übersehen, denn er ist in meine Richtung gewendet. Ich fahre also weiter, aber er konzentriert sich unbeirrt auf das Objekt seiner Begierde. Hm, muss ich bremsen? Nein, das ist ein gesunder Vogel, er fliegt gleich auf. Doch nichts tut sich, bis ich merke, dass es zum Bremsen zu spät ist. Das wahnwitzige Tier bleibt todesmutig bis zum letzten Moment sitzen und verschwindet plötzlich immer noch auf seiner Nahrung hackend unter dem Auto. Ich bremse ab, bleibe stehen und blicke in den Rückspiegel. Am Straßenrand sieht man an einer Stelle das Gesträuch zittern. Wo der Vogel sitzen müsste, ist nichts zu sehen. Er muss zwischen Vorder- und Hinterachse aufgeflogen und ins Gehölz gestürzt sein. Mein Gott, ich habe ihn zum Krüppel gemacht, er liegt wahrscheinlich auf dem Bauch in den Ästen und flattert mit seinen gebrochenen Flügeln. Plötzlich fliegt ein länglicher gekrümmter Gegenstand, der sich als Wurm identifizieren lässt, aus den niedrigen Sträuchern auf die Straße. Wie ein wildes Tier springt der Vogel aus dem Dickicht hinterher und setzt sein pickendes Werk an seiner Beute fort. Leichtsinnig und leidenschaftlich, oder cool und abgebrüht, das Tier, denk ich mir, und fahre weiter.
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