Wenn ich mich trotz allem Horror vor der Zahnextraktion doch ein bißchen auf den Termin beim Zahnklempner freuen kann, dann nur wegen der zwei Zahnarzthelferinnen. Der Zahnarzt siezt die beiden, aber spricht sie beim Vornamen an, deshalb weiß ich, daß sie Elisabeth und Ulrike heißen. Ulrike nimmt mir die Brille ab und legt mir das Lätzchen um, wobei ihre blonden Haare kurz meine Wange streifen. Als die marternde Prozedur ihren Gang nimmt, hält sie den Absaugschlauch. Anders als der Zahnarzt trägt sie keinen Mundschutz, und einmal berührt ihr Atem mein Gesicht wie ein warmer Sommerwind. Nur der Zahnarzt redet, indem er den Mädchen kurze Kommandos zubellt. Ich versuche nach dem Vorbild indischer Jogis den Schmerz als etwas Fremdes, mir nicht Zugehöriges, wahrzunehmen. Aus den Augenwinkeln erkenne ich, daß sich die Flüssigkeit im durchsichtigen Schlauch jetzt rot färbt. Elisabeth schaut mich voller Mitgefühl an, während sie dem Zahnarzt ein neues Folterwerkzeug reicht. Als der Zahn endlich gezogen werden soll, umfaßt Ulrike mit ihren unendlich sanften Händen meine Wangen, um meinem Kopf die nötige Stabilität zu verleihen. Als die Tortur endlich überstanden ist, setzt mir Elisabeth wieder meine Brille auf, wobei sie einen Blutspritzer auf meinem Kinn entdeckt (»Bleiben Sie noch kurz sitzen«), den sie dann mit einem Papiertaschentuch entfernt. Dann schaut sie mein Gesicht noch einmal aus einigem Abstand an, wie um sich zu vergewissern, ob alles in Ordnung ist. Ob ich sehr gelitten hätte, will sie noch wissen. »Sie mußten das ganze Blut sehen, nicht ich«, antworte ich.
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