|
Liebes Tagebuch,
mein Biorhythmus ist im Arsch. Ich versuche zu überleben und hoffe, dass mein Melatonin bald kommt. Ich bin doch nur ein unbedeutender DNS-Klumpen auf einem Planeten, der sowas von unbedeutend ist, dass mir kein passender Vergleich einfällt. Im Prinzip spielt nichts eine Rolle: schließlich bin ich wenig höher entwickelt als eine Amöbe. Soviel trennt mich auch nicht von den Schleimpilzen. Alle sind nur um einen Fortpflanzungsvorteil bedacht! Das Häuserbauen und Romane schreiben dient doch bloß der Selbsterhöhung! Das Einzige, was ich fürchten muss, sind Krankheit und Tod. Schmerz ist das Schlimmste! Ich bin ein Zellhaufen, der sich seiner Sterblichkeit bewusst ist. Was nützt das, wenn die Galaxis, in deren Peripherie ich meinen Stoffwechsel betreibe, mit einer anderen Milchstraße zusammenstößt? Gefickt! Vanitas... Es gibt kein Eiapopeia von Himmel; kein Gott kümmert sich um mich. Das perfekte, behütete Dasein als Parasit endet mit der Geburt. Danach fängt das kleine Sterben an! Ich fühle mich so einsam, liebes Tagebuch! Meine Artgenossen halten sich für etwas, struggeln for Leben und sind doch wenig mehr als Amöben. Der Mensch begreift nicht, dass niemand ihn beachtet! Er richtet seine Sehnsucht nach parasitischer Wollust auf Partner, Institutionen, Religionen und will nicht wahrhaben, dass es keine Rückkehr in den Mutterleib gibt. Dies zu erkennen wäre die Überwindung des Narzissmus - aber niemand will das anerkennen! Keiner will wahrhaben, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Alls ist; dass sich die Erde um die Sonne dreht; dass die Sonne aus der Ferne nicht mehr ist als ein mikroskopisches Staubkorn; dass der Mensch ein Affe ist, der den Schleimpilzen, Pantoffeltierchen und Amöben näher steht als irgendeinem Gott!
Gefickt, liebes Tagebuch. Leben beginnt und endet im Körper. Was kann ich tun, als meinen Körper zu pflegen, ihn gesund zu ernähren und ihn mäßig zu trainieren? Schlaf braucht er auch - mein Biorhythmus ist im Arsch, aber das weißt du. Ich warte auf das Melatonin.
|
