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wuming schrieb am 1.5. 2003 um 00:09:33 Uhr über

Pfadfinder

Kultur
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LeserInnenbrief


von disco zu disco: die clubkolumne

Entgiften mit HipHop: Die Zulu
Nation wird 30

Pfadfinder in Baggy-Jeans

Vor fünf Jahren erzählte mir Mister Malcolm McLaren
folgende Anekdote: "Es war 1980 in New York. Ich
spazierte gerade auf der 125. Straße in Harlem herum,
als ich diesen riesigen, schwarzen Typ mit Irokesenfrisur
sah. Aber das Auffälligste an ihm war, dass er ein
T-Shirt trug mit der Aufschrift "Never Mind The Bollocks,
Heres The Sex Pistols." Ich musste ihn darauf
ansprechen! Er sagte, er sei ein Riesenfan der Sex
Pistols und sein Name sei Africa Bambaataa, und
warum ich nicht einfach heute Abend ihr Ding
auschecken kommen würde - die Zulu Nation hätte da
eine Party am Laufen in der South Bronx. Ich bin dann
natürlich direkt hin."

So »entdeckte« McLaren die HipHop-Kultur (ähnlich wie
sein britischer Kolonialkollege James Cook die
Osterinseln), machte ein paar historische
Feldaufnahmen, wendete seinen flatterhaften Geist aber
bald darauf afrikanischer Highlife-Music, Seilspringen
und Squaredance zu - den nächsten glamourösen
Exoten, die er aus seinem überdimensionalen Hobo-Hut
hervorzauberte.

Die Zulu Nation existierte zu diesem Zeitpunkt bereits
seit sieben Jahren, sie wird dieses Jahr folglich ihren
dreißigsten Geburstag feiern. Am 12. 11. 1973 hatte
Africa Bambaataa, bis dahin einer der Anführer der
mächtigen New Yorker Gang The Black Spades,
entschieden, das gewaltverseuchte Prinzip »Gang«
gegen das friedensstiftende Projekt »Zulu Nation« zu
tauschen. Inspiriert hatte ihn dazu der Film »Zulu« mit
Michael Caine, der dort einen britischen Kolonialoffzier
spielt, der den stolzen Kriegern Respekt zollt und ihn
deshalb auch zurückbekommt.

Die bald Universal Zulu Nation, kurz UZN genannte
Organisation entwickelte sich in den frühen 80ern, im
Sog von Bambaataas stilprägenden Electro-Hits wie
»Planet Rock« oder »Looking For The Perfect Beat«
schnell zu einem der wichtigsten Botschafter der
HipHop-Kultur. Strukturell wie eine gigantische, gütige
Gang organisiert, gründeten sich die Chapter und
Divisionen bald weltumspannend. Die UZN ist heute
weltweit in Räten organisiert. Wenn alle Stricke reißen,
könnte sie die Regierung übernehmen. Der Erde,
versteht sich.

Als Anfang der 90er die Rechtschaffenheit im Rap aus
der Mode kam, verlor die UZN ihren Einfluss auf die
ganz große Politik. Ihre moralische Note, die Tendenz
zur Lebenshilfe und ihre religiöse Hingabe an das
HipHop-Testament wollten nicht mehr recht in eine Zeit
passen, in der Gangsta-Rap seine größten Erfolge
feierte.

In so einem Fall geht man zurück zur Basis. Und dass
die UZN, was das betrifft, immer noch sehr präsent ist
und einen verdammt guten Job macht, konnte ich
persönlich Anfang April feststellen.

Das Köln-Chapter hatte in den Club 68 eingeladen, ein
Stadtteil-Begegnungszentrum für Behinderte und
Nichtbehinderte. Allein das hat schon eine Coolness und
Klasse, wie man sie derzeit in kaum einer anderen
Musikszene findet. Angesagt war eine
Podiumsdiskussion zum Thema "What is a DJ if he cant
scratch?". Es waren dort, wie McLaren gesagt hätte,
Männer versammelt, die "mit Platten hantieren und die
Nadeln ihrer Plattenspieler benutzen wie Gitarren". DJs
eben, mit dope flashenden Namen wie Back Q, Scope,
Hawkeye, Rickski, Tre-Styles oder Hans Nieswandt.

Die meisten der etwa 150 mit Kappen und Baggyhosen
erschienenen Anwesenden waren in den
Gründungstagen der UZN noch nicht mal geboren. Dies
war Köln-Südstadt und nicht die South Bronx. Und doch
wurde hier der Zulu-Geist in seiner korrektesten Form
authentisch zelebriert. Ohne staatliche Zuschüsse, ohne
den Rahmen einer riesigen Messe, ohne das kleinste
Budget eines internationalen Genussgift-Konzerns
wurde hier konzentriert und ernsthaft an der eigenen
Kultur gearbeitet, um der Sache willen und im Dienste
positiver Lebensführung.

Als Scope mich schmunzelnd als jemanden vorstellte,
der erst vor kurzem von der Existenz von HipHop gehört
hat, entgegnete ich, dass meine erste selbst gekaufte
Maxi »The Breaks« von Kurtis Blow aus dem Jahr 1980
ist. Dafür bekam ich Sonderapplaus. So sind wir eben,
immer hungrig nach Props. Wie viele DJs braucht man,
um eine Glühbirne zu wechseln? Mindestens ein
Dutzend: einen, der sie reindreht, zehn, die mit
verschränkten Armen wissend lächeln herumstehen, und
einen, der das übrigens schon 1980 gemacht hat.

Während die deutschen Divisionen der UZN mit
gemeinnütziger, Halt bietender Jugendarbeit eine echte
Alternative zu den Pfadfindern oder anderen ominösen
oder christlichen Gruppen darstellen (wir reden hier von
Jugendzentren in schlechten Vierteln, nicht von
literaturwissenschaftlichen Hauptseminaren), geht es auf
der Website des amerikanischen Mutterschiffs
wesentlich universaler ab: schwere Kosmologie,
seltsame Wissenschaften, US-Außen- und Innenpolitik,
natürlich Verschwörungstheorien, aber auch
Gesundheitstipps und vieles mehr findet hier sein
Forum.

Mineralwasser zum Beispiel - ganz schlecht. Da kann
man gleich Gift oder Milch trinken. Nur ein destilliertes
Wasser ist ein gutes Wasser. Nach einer dreiwöchigen
Kur mit destilliertem Wasser ist der Urin deutlich
sedimentreicher. Aber das sind wohl eher Themen für
den gesetzteren Zulu. In jedem Fall: Respekt für die UZN.
Gut, dass es sie gibt.

HANS NIESWANDT

taz Nr. 7042 vom 30.4.2003, Seite 16, 183 Zeilen
(Kommentar), HANS NIESWANDT, K


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