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Ole Cordsen schrieb am 15.1. 2002 um 16:09:26 Uhr über

Papaphobie

»Was zum Henker heißt Tapir auf isländischSven Jörgensen seufzte tief und schaute noch tiefer in sein eben noch halbleeres Weinglas. Jetzt war es ganz leer. Und Nachschub war nicht in Sicht. Wobei Wein auch kein adäquater Ersatz für ein ausreichend umfangreiches Wörterbuch war. Zumindest für die Arbeit eines Übersetzers, der sein armseliges Dasein in einem Bretterverschlag fristen muss, getrieben von einer nahezu hypochondrischen Angst vor dem Papst. Doch wieso? Und was hatte der Papst mit dem isländischen Wort für Tapir zu tun? Nun ja, wer israelische Epen über Dschungelabenteuer unfreiwillig geschwängerter Nonnen in Timbuktu aus dem kirgisischen ins isländische übersetzen will, braucht a) eine gehörige Portion Geduld, b) einen ziemlichen Schlag an der Waffel, c) einen potenten Abnehmer samt vorhandener Zielgruppe, an die man das ganze verkaufen kann und eben d) ein vernünftiges Wörterbuch, damit es nicht an Lapalien, wie einem Tapir scheitert. Das zur Besänftigung des Gemüts und der Angst vor dutzenden Krankheiten, die einen armen Übersetzer während einer solchen Mammutarbeit schon einmal überfallen können, ganz zu schweigen von der Angst vor dem Papst, auch noch die ein oder andere Flasche Wein gehören mag, ist vielleicht, wenn auch nicht sinnvoll, so doch nachvollziehbar. Was aber tun? Woher bekommt man ein kirgisisch-isländisches Wörterbuch, wenn es an eigenen Sprachkenntnissen mangelt? Sven war einst zu seismischen Bohrungen in der kirgisischen Tiefebene gewesen und hatte vor Jahrzehnten eine isländische Brieffreundin. Die hatte aber eine kanadische Oma, so dass sie meistens auf Englisch kommunizierten. Diese hatte ihm damals auch die katholizistische Weltsicht nähergebracht und seinen Lebenswandel getadelt. So einer wie er könne doch nicht einfach jedes dahergelaufene weibliche Wesen um Beischlaf anbetteln, sollte nicht ständig rauchen und vielleicht auch den ein oder anderen Tag unbenebelt erleben. Der Papst sähe Volk wie ihn gar nicht gern. So ein Gebaren sei unchristlich. Und dass er sich obendrein noch ständig Krankheiten einrede.... Er solle froh sein, dass der Papst von ihm nichts wisse. Daher wahrscheinlich die Angst. Papstparanoia. Oder Papaparanoia. Meinetwegen auch das. Und in dieser Angst vor der kaum zu bändigenden Macht des Kirchenoberhauptes zog er sich in seinen Bretterverschlag zurück und entsagte der Welt. Um ein Mammutwerk auf sie kommen zu lassen: Israelische Epen über Dschungelabenteuer unfreiwillig geschwängerter Nonnen in Timbuktu. Und all wollte er der Muttersprache seiner ehemaligen Brieffreundin als Geschenk überbringen. Vielleicht auch resozialisiert werden. Nur es gab Probleme: Erstens fühlte er sich, wie so gut wie immer, krank. Wahrscheinlich eine Magendystrophie oder so etwas. Geht vorbei. Aber vor allem hatte er keinen Wein mehr, kein vernünftiges Wörterbuch, was ihm jetzt hätte helfen können und keinen Schimmer, was Tapir auf isländisch heißt. Wozu braucht man Tapire? Wozu? Aber wenn sie da sind, darf man sie wegretuschieren? Kann man sich einfach über die künstlerische Schwungkraft des vor Tapiren wimmelnden Originals hinwegsetzen, nur weil man nicht weiß, was Tapir auf Isländisch heißt? Wahrscheinlich nicht. Doch was sollte er tun? Tapir war das erste Wort des zu übersetzenden Werkes. Sollte er so früh aufgeben? Sollte er den gefassten Plan seines »opus magnum« einfach wegen eines Tapirs in die Tonne treten? Alle Visionen wie Fliegenschiss von der Windschutzscheibe putzen? Dazu hatte er sich doch jetzt eiegntlich schon viel zu sehr gedanklich damit auseinandergesetzt. Und für die Schmach der Niederlage war kein Wein mehr da, um sie zu lindern. Im ganzen Bretterverschlag nicht. Sven setze sich hin und weinte.


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