Streaming-Anbieter:
Bringt Netflix wirklich das Kino um?
Heute geben viele Menschen mehr Geld für Streamingdienste aus als für Kinotickets. Das verändert die Branche und das Filmemachen. Verändert es auch die Filme selbst?
Kürzlich in den unüberschaubaren Weiten der Netflix-Scrollflächen: Zwei neue Spielfilme ploppen auf, irgendwo zwischen der Serie »Das Römische Reich« und der Kochdoku-Reihe »Salz, Fett, Säure, Hitze«. Zwei Filme, die noch vor wenigen Jahren als klassisches Hollywoodkino in den großen Lichtspieltheatern dieser Welt ihre Premiere gefeiert hätten, inklusive teurer Marketingkampagnen und glamourösem Schaulaufen der Stars. Davon können beide Filme welche bieten: In dem politisch gefärbten Actionthriller »Triple Frontier« spielen Ben Affleck und Oscar Isaac; in »The Highwaymen« über die Texas Ranger, die einst das berüchtigte Gangsterpaar Bonnie und Clyde zur Strecke brachten, Woody Harrelson und Kevin Costner.
Heute ist allerdings für die beiden Filme nicht mehr viel Glamour vorgesehen. »Triple Frontier« und »The Highwaymen« haben sich zumindest in Deutschland beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf die Netflix-Plattform gestohlen (In den USA schickte Netflix sie zumindest noch für drei Wochen auf die große Leinwand, wohl kaum aus Nostalgie, sondern um zumindest ein bisschen Aufmerksamkeit zu erzeugen.). Hierzulande wird besonders deutlich, was Filme mit Hollywoodnimbus für Netflix sind: Futter für die Abonnentinnen.
Innerhalb nur weniger Jahre ist Netflix mit dem sehr roten »N« im neuen Logo für die Studios zum sehr roten Tuch geworden. Der Konzern aus dem kalifornischen Los Gatos macht scheinbar alles kaputt: ein über hundert Jahre erprobtes Geschäftsmodell genauso wie sorgsam errichtete ästhetische Kategorien. Filme mit großen Budgets und Stars werden als Fernsehfutter verramscht. So sehen es zumindest etliche in der klassischen Branche.
Als wollten Kinobesitzer und Filmschaffende einen Dämon bannen, wiederholen sie mantraartig, Netflix-Filme seien Fernsehfilme und hätten mit Kino nichts zu tun. 2018 forderte der Filmemacher StevenSpielberg gar, Netflix solle von den Oscars ausgeschlossen werden. Als ästhetische Urteile sind diese Einwürfe unbrauchbar, weil viel zu unscharf. In der Oscarnacht 2019 erhielt der künstlerisch sehr gelungene Netflix-Film »Roma« völlig zu Recht die Trophäe als Bester fremdsprachiger Film und hätte sogar die Königskategorie Bester Film gewinnen können, was am Ende »Green Book« verhinderte. Es wäre die ultimative Demütigung gewesen. Denn natürlich geht es in der Diskussion gar nicht um Filmkunst. Sondern um die Frage der wirtschaftlichen Auswertung. Und damit ums Ganze.
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