Die Esten, ein zwischen Rußland und Finnland gepreßtes Völkchen, das es im Lauf seiner Geschichte jedoch auchj immer wieder vorzugsweise mit seinen deutschen Besatzern gehalten hat, scheinen im Rahmen der Osterweiterung der EU in eine heftige Sinnkrise geraten zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, daß derart unterschiedliche Aussagen über den estnischen Nationalsport im Umlauf sind? Ich las nämlich in einem Artikel, sie hätten ihrer mythenentkernten Vergangenheit Sportarten wie, ich zitiere »das Werfen auf Bierdosen und den Überschlag auf der Schaukel« entrungen. Das wollte ich dann doch noch einmal verifiziert wissen, und stieß bei der Recherche im Internet auf ausgesprochen widersprüchliche Angaben: Da behauptet ein Jaan in europatauglicher Konsumentenhaltung »Einkaufen ist unser Nationalsport«,der NDR2 will sich nicht exakt festlegen und gibt »Basketball, Langlauf, Fußball« an, »Pesäpallo« scheint eher finnischen Ursprungs zu sein, sehr sympathisch ist mir die im Eurozine aufgestellte Behauptung, Ringen sei Nationalsportart Nr. 1, eine dänische Seite will wissen »Estlands nationalsport bedrivs med stickor och nystan« was aufgrund meiner mangelhaften Dänischkenntnisse für mich ebenso gut Messer und Gabel wie Gerte und Trense bedeuten kann, auch die Eissegler wollen von einer massierten Verbreitung ihrer Sportart wissen, aber Dosenwerfen und Schaukelüberschlag? Fehlanzeige. Möglicherweise hat man diese Information von estnischer Seite bis zum 1. Mai 2004 schamhaft unterschlagen, um die Beitrittsverhandlungen nicht zu gefährden, vielleicht ist der Autor meines Artikels, Herr Trampert da auch auf den Leim gegangen (war der nicht mal Gründungsmitglied der Grünen? Würde für diese Vermutung sprechen) oder Dosenwerfen und Schaukelüberschlag sind einfach eine kaum verhohlene Metapher für Pogrome und Komatrinken, was mir im Augenblick als die einleuchtendste Erklärung erscheint.
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