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Bettina Beispiel schrieb am 26.3. 2002 um 11:24:45 Uhr über

Lyme-Borreliose

Die Lyme-Borreliose wird aufgrund klinischer Beschwerden diagnostiziert, denn es gibt derzeit keinen Test, der definitiv eine Borreliose bestätigen bzw. eine Aussage darüber erlauben würde, ob eine Borrelieninfektion Ursache für bestimmte Symptome eines Patienten ist. Das gesamte klinische Bild muß in Betracht gezogen werden, ebenso wie die Suche nach Begleitumständen und alternativen Diagnosen sowie nach anderen Ursachen für Teilbereiche der vorgebrachten Beschwerden. Oftmals besteht ein wesentlicher Teil der Diagnostik bei Patienten im generalisierten Spätstadium darin, andere Erkrankungen auszuschließen und sich ein Bild über das Ausmaß der Schädigungen zu verschaffen, die eine eigene Bewertung und Behandlung erfordern köten.
Borrelia burgdorferi (Bb) enthält Beta-Laktamasen, die einigen Stämmen möglicherweise eine Resistenz gegenüber Cephalosporinen und Penicillin verleihen. Das ist offensichtlich ein langsam arbeitendes Enzymsystem, und es kann mittels höherer oder längerdauernder Antibiotikakonzentrationen überwunden werden, insbesondere wenn sie mit Dauerinfusionen (Cefotaxim) oder durch Depotpräparate (Benzathin-Penicillin) aufrechterhalten werden. Dennoch, einige Fälle von Behandlungsversagen unter Penicillinen und Cephalosporinen treten auf und haben auf Sulbactam und Vancomycin reagiert, die beide an anderen Zellwandbausteinen ansetzen als Penicillin.

Es ist nun belegt (siehe z.B. Mikrobiologie der Borrelia burgdorferi (25)), daß

Bb innerhalb von Zellen überleben kann, z.B. in
Makrophagen,
Lymphozyten,
Endothelzellen,
Neuronen und
Fibroblasten
und in vitro durch Einnehmen dieser intrazellulären Nischen der Wirkung von Antibiotika entkommen kann.
Darüberhinaus sondert Bb ein Glycoprotein ab, das in der Lage ist, (durch Bilden einer »S[chleim]-Schicht«) den Organismus einzukapseln. Das kann die Immunerkennung stören und das Eindringen des Antibiotikums blockieren. Das Glycoprotein hinwiederum bindet IgM-Antikörper (spezifisch, d.h. es bildet einen sehr stabilen Verbindungskomplex mit IgM, d. Übers.). Auf diese Weise ist es möglich, daß Borrelien-Antigene durch die mit Wirtsproteinen (d.h. mit IgM, d. Übers.) komplexierte S-Schicht verdeckt wird. Wenigstens theoretisch wird das die Immunerkennung stören, was sich in Seronegativität und beeinträchtigter Beseitigung der Spirochäten aus dem Körper äußert (siehe auch The Scientist, Vol.10, #14, S.13, 8. Juli 1996).
Es existieren verschiedene Stämme von Bb,
die sich in ihrem Antigenprofil und ihrem Ansprechen auf Antibiotika unterscheiden.
Außerdem gibt es L-Formen, die keine Zellwand besitzen und daher nicht für Zellwandantibiotika empfindlich sind (siehe auch J. Burrascanos Bemerkungen zu Metronidazol).
Offensichtlich ist Bb in der Lage, im Laufe der Infektion von einer Form in die andere überzugehen (siehe auch »Cystische Formen«, antigenic variation (24), d. Übers.) und so wechselnde serologische Reaktionen, einschließlich der Seronegativität, hervorzurufen (und verschiedene Infektivität zu zeigen (24), d. Übers.). Daher kann es notwendig sein, die Antibiotika zu wechseln oder gar eine Kombination mehrerer Antibiotika anzuwenden.
Eine vegetative Endokarditis ist in der Regel mit der Borreliose vergesellschaftet, doch kann sie so dezent sein, daß sie nicht mit Hilfe einer Echokardiographie dargestellt werden kann. Dies ist zu beachten, wenn Patienten mit Herzgeräuschen untersucht werden, da darin der Grund liegen könnte, weshalb einige Patienten sogar nach langer Antibiotikaeinnahme immer wieder einen Rückfall erleiden.
Ein wiederholtes Versagen der Therapie sollte den behandelnden Arzt auch an das Vorliegen einer Immunschwäche denken lassen, die ansonsten nicht zutage tritt. Diese Immunschwäche sollte dann behandelt werden.

Drei Faktoren machen ein Behandlungsversagen - unabhängig von der Art der Therapie - wahrscheinlich:

Nichtbefolgen der Behandlungshinweise,
regelmäßiger Alkoholkonsum und das
Nichteinhalten angemessener Ruhepausen. Die Patienten sollten eine Pause einlegen, wenn die unausbleibliche Nachmittagsmüdigkeit einsetzt, oder besser noch davor.
Wie aus Obigem zu ersehen ist, ist die Behandlung der Lyme-Borreliose schwierig.
Es gibt nicht das beste Medikament, da die Borrelien je nach Stamm auf die verschiedenen Antibiotika verschieden ansprechen.
Individuelle Charakteristika der Patienten beeinflussen, wie spezifische Medikamente genutzt werden.
Weitere Unsicherheitsfaktoren sind,
ob eine parenterale Therapie angezeigt ist, oder
wie lange eine Behandlung fortgeführt werden muß, um die Infektion unter Kontrolle zu bringen und einen Rückfall auszuschließen.
Daher sollte man zunächst eine Behandlung wählen, die unter den gegebenen Umständen angemessen ist, und sie im Laufe der Zeit je nach Wirksamkeit modifizieren. Man kann im voraus nicht bestimmen, welche der mannigfachen Beschwerden sich unter den gegebenen Umständen durch weitere Antibiotikagaben bessern werden und welche unveränderlich bleiben werden. Es gibt keinen Test, der das Maß der Genesung oder das Ansprechen auf die Behandlung angeben kann, und es gibt keinen Test, der herausfinden kann, ob eine Heilung möglich ist.
Es ist daher lebenswichtig, daß man Methoden entwickelt wie

Patienten-Tagebücher, in denen Veränderungen in der Schwere der Symptome während der Therapie knapp dargestellt werden,
Registrierung
der Körpertemperaturen vom späten Nachmittag,
von körperlichen Befunden,
Beobachtungen von Krankengymnasten sowie der
Ergebnisse kognitiver Tests.


DIAGNOSTISCHE HINWEISE
Da Borreliose-Tests nicht verläßlich sind, muß die Diagnose aufgrund der klinischen Erscheinungen erfolgen, Labortests decken dabei nur einen Teilbereich ab. Beachtet werden sollten
Zeckenexposition,
Hautrötungen (auch atypische),
das Auftreten typischer Symptome bei vorher symptomfreien Patienten sowie
eine etwaige Reaktion auf die Behandlung (Jarisch-Herxheimer-Reaktion),
ferner eine Beschwerdebesserung unter der Therapie.
Große Anstrengungen müssen unternommen werden, andere Erkrankungen auszuschließen, denn die Lyme-Borreliose ist oftmals eine Ausschlußdiagnose.

Erythema migrans
Ein Erythema migrans (EM) sichert die Diagnose. Es ist jedoch nur in weniger als der Hälfte der Fälle vorhanden. Selbst dann wird es oft nicht bemerkt. Es besteht aus einer zentrifugal sich ausbreitenden Rötung (»Wanderröte«, Anm. d. Übers.), die leicht erhaben und überwärmt ist. Manchmal sticht oder juckt sie. Sie tritt 4 Tage bis mehrere Wochen nach dem Stich auf, mit oder ohne begleitende Allgemeinsymptome. Mehrfache Erytheme kommen in weniger als 10 % der Fälle vor und kennzeichnen einen generalisierten Verlauf. Manche Erytheme verlaufen atypisch, dann sind Hautbiopsien hilfreich. Wenn in der Mitte Geschwüre oder Bläschen auftreten, ist dies ein Hinweis auf eine gemischte Infektion, an der andere Keime beteiligt sind.
Bei serologischen Tests (ELISA, IFT, Western-Blot etc.) erwartet man frühestens einige Wochen nach einem Zeckenstich positive Ergebnisse. Tritt ein EM auf, sollte man daher die Laborergebnisse nicht abwarten (sie zeigen wahrscheinlich zu solch frühem Krankheitszeitpunkt (siehe J.D. Bleiweiss's Essay zu Krankheitsstadien) noch keine Reaktion), sondern muß sofort mit der Therapie beginnen, denn bei frühzeitiger Behandlung sind die Erfolgschancen noch am größten. In der Tat verzichten viele erfahrene Kliniker unter diesen Umständen sogar auf einen Borreliose-Test.


Erkennung einer späten Erkrankung
Ein positives Resultat einer Serumdiagnostik zeigt lediglich die stattgefundene Auseinandersetzung mit Bb an, nicht jedoch, ob gegenwärtig die Spirochäte vorhanden ist.
Die Ergebnisse der Serumdiagnostik sind oft widersprüchlich, so daß man Messungen bei verschiedenen Labors mit unterschiedlichen Methoden durchführen lassen sollte.
Ich empfehle, beide Tests, sowohl ELISA's als auch Western-Blots, anzuordnen.
Dazu sollte man wissen, daß im Spätstadium die IgM-Konzentration wiederholt erhöht sein kann, so daß diese Meßgröße keine Unterscheidung zwischen früher und später Infektion zuläßt. Er läßt jedoch eine aktive Infektion vermuten.
Gelegentlich sind auch späte Verläufe der Borreliose seronegativ, und dann werden einige Patienten (36 %) nach erfolgreicher Therapie vorübergehend seropositiv.
Der Western-Blot zeigt an, welche Antikörper reagieren. Die 41 KD-Bande tritt als erste auf, kreuzreagiert jedoch mit Treponema pallidum und einigen anderen Spirochäten. Die 18, 23-25 (Osp C), 31 (Osp A), 34 (Osp B), 39, 83 und 93 KD-Banden sind am spezifischsten, erscheinen jedoch erst später oder auch gar nicht. Man benötigt zur Diagnose zumindest die 41 KD- und eine weitere der spezifischen Banden. Die 55, 60, 66 und 73 KD-Banden sind nicht spezifisch und ohne diagnostischen Wert.
Obwohl Tests auf Antigene wie die neuerdings verfügbare PCR hochspezifisch sind, ist deren Sensitivität gering, möglicherweise unter 30 %. Dies rührt daher, daß Bb eine Infektion in tiefliegendem Körpergewebe verursacht und nur zeitweilig in Körperflüssigkeiten gefunden wird. Deshalb sammelt man mehrere Proben, um eine höhere Ausbeute zu erzielen, ähnlich wie bei Blutkulturen zur Endokarditis- oder bei Stuhlproben zur Wurm- oder Parasitendiagnostik, usw. Der Patient darf vor dem Test mindestens 6 Wochen lang keine Antibiotika eingenommen haben. Der Antigen-capture-Test kann mit Urin, Liquor und Gelenksflüssigkeit durchgeführt werden, die PCR mit Blut (am besten mit Leukozytenmanschette), Urin, Liquor und anderen Körperflüssigkeiten einschließlich der Muttermilch sowie mit Gewebeproben.

Lumbalpunktionen können nicht routinemäßig empfohlen werden, da ein negatives Ergebnis die Borreliose nicht ausschließt. Borrelien-Antikörper im Liquor können nur bei 20 % der Patienten mit Spätborreliose gefunden werden. Daher empfiehlt sich eine Lumbalpunktion nur bei Patienten, die deutliche neurologische Symptome (z.B. neurologische Komplikationen, siehe auch Mitteilungen des IGeneX-Labors, d. Übers.) haben, speziell dann, wenn sie seronegativ sind oder nach Therapieende noch an schweren Symptomen leiden. Ziel dieser Untersuchung ist es, andere Erkrankungen auszuschließen und die Gegenwart von Bb-Antigenen zu bestätigen. Besonders wichtig ist, eine Erhöhung des Liquoreiweißes und der mononukleärer Zellen festzustellen, da dann eine agressivere Therapie erforderlich würde. Ferner ist der Öffnungsdruck zu prüfen, der erhöht sein und zu Kopfschmerzen führen kann, insbesondere bei Kindern.

Dutzende an forderster Front praktizierende Ärzte trugen dazu bei, eine Liste diagnostischer Kriterien auszuarbeiten, die für den klinisch tätigen Arzt brauchbar sind. Diese Zusammenstellung hat sich als äußerst nützlich nicht nur für den Kliniker, sondern auch für Drittmittelgeber und Gutachterausschüsse erwiesen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, daß die Kriterien, die von den Centers of Disease Control veröffentlicht wurden, lediglich für öffentliche Erhebungen und nicht für die Diagnostik bestimmt sind.




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