Frage: Herr Biermann, Sie haben die DM 10.000,-- für Ihren Fontane-Literaturpreis an den Rechtsanwalt Mahler überwiesen, damit westberliner Studenten sich vor westberliner Gerichten besser verteidigen können. Was würden Sie dazu sagen, wenn diese 10.000,- in die Kasse der Baader-Meinhof-Gruppe gewandert sind und sich in Schusswaffen verwandelt haben? Macht Ihnen das keine Sorgen?
Nein.
Frage: Ist das alles?
Nein, aber Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich mich von der 'Roten–Armee–Fraktion' distanziere. Ich möchte nicht in den Orden linker Oberpriester aufgenommen werden, die der Baader–Meinhof–Gruppe ihren Segen verweigern. Lenin hat gesagt, dass der erste Schuss erst abgefeuert werden darf, wenn die Revolution losgeht. Die Kommunisten in der Baader-Meinhof-Gruppe setzten ihr Leben für die Gegenthese ein, nämlich, sie wollen beweisen, wenn nicht endlich der erste Schuss losgeht, die Revolution verschlafen und verfressen wird. Dass nun Leute ihr Leben für eine These aufs Spiel setzten, mag für das gebildete Publikum seine typisch deutsche Komik haben, immerhin hat die RAF wichtige Antworten auf die Frage geliefert, ob und in welchem Maße die Methoden der südamerikanischen Tupamaros in Westeuropa anwendbar sind. Und solche Erfahrungen werden nicht in Wortgefechten gemacht, sondern in praktischen Kämpfen. Billiger sind neue politische Erkentnisse nicht zu haben. Linke Sekten können jetzt gemütlich bei einer Tasse Tee darüber schwätzen, dass Lenin recht hatte, und gelernte Marxisten können jetzt ein halbes Lebenswerk darüber verfassen, dass die RAF scheitern musste - mir fällt bei dieser Gelegenheit das Gedicht GEGEN DIE OBJEKTIVEN von Brecht ein, in dem es heißt:
Unsere Niederlagen nämlich beweisen nichts, als dass wir zu wenige sind, die gegen die Gemeinheit kämpfen, und von den Zuschauern erwarten wir, dass sie wenigstens beschämt sind!
(Interview 1971)
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