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Michel und Bruno und ein Schatten von mir schrieb am 26.6. 2009 um 08:30:39 Uhr über

Leiden

Neun Jahre später lebe ich noch immer alleine. Jetzt nicht mehr in Aachen, sondern in Mönchengladbach. Ich vermisse Sabrina immer noch. Die häufigen Ortswechsel haben daran nichts geändert. Wie kann man vor etwas davon laufen, dass sich in jede Faser des Seins eingebrannt zu haben scheint? Bei jedem schwarzen Nissan Micra, den ich erblicke, zucke ich noch immer zusammen, wie ein Mörder der in einem Fremden sein Opfer zu erblicken scheint. Ich suche ihr Gesicht in den unbedeutenden Passantinnen. Wie sie wohl heute aussieht? Hat sie noch immer lange schwarze Haare?
Oder sind sie jetzt kurz und blond? Die letzten Jahre erscheinen mir wie ein nie enden wollender Traum. Plötzliche Ortswechsel. Plötzlich andere Menschen um mich herum. Doch wie Balzac so treffend sagte : » Je elender das Leben is, desto stärker klammert sich der MEnsch daran; dann wird es zum Protest, zu einer Rache an allem. «
Doch auch der Wunsch nach Rache erlischt, wie irgendwann alles erlischt. Ich bräuchte einen neuen Sinn im Leben. Arbeiten, lesen und blastern ist einfach nicht genug! Meine Liebe war reine Verschwendung, wie ich inzwichen weiss; es wäre besser gewesen, ich hätte nie geliebt. Heute bereue ich es, ihr begegnet zu sein. Ich habe das Gefühl, ich könnte mich auf dem Boden wälzen, mir die Pulsadern mit einer Rasiewrklinge auftrennen oder im Zug masturbieren, und niemand würde mich beachten. Niemand würde auch nur einen Finger rühren. Als ob ich von der Welt durch einen durchsichtigen, unverletzbaren, perfekten Schirm getrennt wäre.
Meine Chefin hat mir neulich gesagt : » An Ihrem Geburtstag kriegen Sie natürlich frei. Sie dind dann auf jeden Fall zu Hause. « Zu Hause, was immer das heissen mag; jedenfalls irgendwo. Nie hat man seine Ruhe. Ich verstehe nicht, wie es den Menschen gelingt zu leben. Ich habe das Gefühl, dass eigentlich alle unglücklich sein müssten.
»Wann hattest du das letzte Mal Sex

- » Vor etwas mehr als zwei Jahren! «

»Ah!«, ruft sie triumphierendWie willst du unter diesen Umständen das Leben lieben

- » Würdest du mit mir ficken? «

Sie schaut verschämt zur Seite.
Punkt, Satz und Sieg.
Ich habe schon seit langer Zeit keine klare Vorstellung mehr vom Sinn meiner Handlungen, eigentlich frage ich mich kaum noch danach. Die meiste Zeit bin ich in der Position des Beobachters. Mein Handlungsspielraum ist ausserordentlich eng geworden. Ich sehe nur noch wenige Möglichkeiten, und die Unterscheiden sich auch nur in winzigen Einzelheiten. In Wahrheit kann nichts die immer häufigere Wiederkehr jener Momente verhindern, in denen meine absolute Einsamkeit, das Gefühl einer universellen Leere und die Ahnung, dass mein Leben auf ein schmerzhaftes und endgültiges Desaster zuläuft, mich in den Zustand echten Leidens stürzt.
Trotzdem habe ich noch keine Lust zu sterben.
Wenn das Liebesleben beendet ist, nimmt das ganze Leben etwas Konventionelles und Gezwungenes an. Man behält die menschliche Form bei, das übliche Verhalten, einen gewissen Schein; aber man ist nicht mehr, wie man so schön sagt, mit dem Herzen bei der Sache.
Sie war, sie ist, sie bleibt...


Wi-der-lich!




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