Hodenhochstand beim Säugling
Inhalt
Was ist ein Hodenhochstand?
Wie häufig ist der Hodenhochstand?
Was sind die Ursachen für einen Hodenhochstand?
Welches sind die möglichen Folgen und Komplikationen eines Hodenhochstandes?
Wie stellt der Arzt die Diagnose?
Wie wird der Hodenhochstand behandelt?
Synonyme: Kryptorchismus, Hodendystopie, Maldescensus testis, Hodenretention
Was ist ein Hodenhochstand?
Beim männlichen Feten (Ungeborenen) liegen die Hodenanlagen zunächst in der Bauchhöhle, unterhalb der Nieren. Im 2.-3.
Schwangerschaftsmonat beginnt der Hoden in den Hodensack zu gleiten. Bis zum Ende des 8. Schwangerschaftsmonats,
manchmal aber auch erst innerhalb der ersten Lebensmonate, ist dieses Hinabsteigen der Hoden (=Descensus testis)
abgeschlossen.
Unter Hodenhochstand versteht man das Ausbleiben der regelrechten Wanderung des Hodens in den Hodensack (Skrotum)
während des 3. bis 10. Schwangerschaftsmonats. Man unterscheidet folgende Formen:
Hodendystopie:
sämtliche Formen nicht im Hodensack liegender Hoden (=Überbegriff)
Leistenhoden:
einer oder beide Hoden liegen tastbar im Leistenkanal und können manuell (mit den Händen) in den Hodensack geschoben
werden
Bauchhoden:
einer oder beide Hoden liegen nicht tastbar in der Bauchhöhle (nur mittels Ultraschall diagnostizierbar) und können nicht
manuell in den Hoden geschoben werden
Gleithoden:
einer oder beide Hoden liegen am Ausgang des Leistenkanals (somit am Eingang in den Hodensack), lassen sich durch sanften
Schub oder Zug in den Hodensack verlagern (dabei treten häufig Schmerzen im Leistenbereich auf), jedoch kehrt der Hoden
wegen des zu kurzen Samenstranges anschließend wieder in seine Ausgangslage zurück
Pendelhoden oder Wanderhoden:
meist nicht behandlungsbedüftige Normvariante der Beweglichkeit der Hoden; die Hoden sind bereits normal in den
Hodensack gewandert, sie werden aber meist aufgrund von Kälte, aber auch durch Schamgefühl begünstigt, vom
Hodenhebermuskel (Musculus cremaster) zeitweise in den Leistenkanal gezogen
Hodenektopie: (selten)
ein oder beide Hoden liegt bzw. ligen außerhalb der Wanderungsroute; am häufigsten oberhalb des Ausganges des
Leistenkanals auf den Bauchmuskeln (sog. superficial-inguinale Lage), seltener am Anfang des Oberschenkels (sog. femorale
Lage)
Wie häufig ist der Hodenhochstand?
Ein Hodenhochstand tritt bei reifgeborenen Kindern in ca. 6 von 100 Geburten auf. Bei der Mehrzahl der Neugeborenen
Jungen findet die Wanderung der Hoden in den Hodensack noch während der ersten Lebensmonate statt, so daß nach dem 1.
Lebensjahr nur noch ca. 2% der Knaben einen behandlungsbedürftigen Hodenhochstand haben.
Bei Frühgeborenen tritt der Hodenhochstand wesentlich häufiger auf (in ca. 30% ). Dies hängt damit zusammen, daß zum
Zeitpunkt der Geburt die normale Wanderung des Hodens (3.-10. Schwangerschaftsmonat) noch nicht abgeschlossen ist.
Was ist ein Hodenhochstand?
Die Ursachen für einen Hodenhochstand sind weitgehend unklar. Mögliche Ursachen sind u.a. andere Fehlbildungen, die die
normale Wanderung der Hoden entweder aus anatomischen oder auch hormonellen Gründen, z.B. bei genetischen
(Chromosomen-) Anomalien (Fehlbildungen) verhindern. In nahezu 40% liegen bei Knaben mit einem Hodenhochstand auch
Anomalien der samenleitenden Wege vor.
Welches sind die möglichen Folgen und Komplikationen eines Hodenhochstandes?
Mögliche Folgen des Hodenhochstandes sind Unfruchtbarkeit, Ausbildung eines bösartigen Hodentumors im Erwachsenenalter
und die erhöhte Gefahr einer Drehung der Hoden und des Samenstranges (=Hodentorsion), sowie eines Leistenbruches.
Schon ab dem 2. Lebensjahr lassen sich in Hoden, welche nicht im Hodensack zu liegen gekommen sind, Schäden der
Stammzellen für die Spermienentwicklung finden. Das ist größtenteils durch die Wärme zu erklären, der die Hoden, welche in
der Bauchhöhle oder im Leistenkanal verbleiben, ausgesetzt sind. Dies kann bei Ausbleiben einer Therapie zur Unfruchtbarkeit
führen.
Das Risiko der Entwicklung eines bösartigen Hodentumors ist bei Hodenhochstand stark erhöht! Im Vergleich mit Männern
ohne Hodenhochstand treten solche Tumore 20mal häufiger bei Männern auf, die als Kind einen Hodenhochstand hatten.
Bei etwa der Hälfte der Knaben mit einem Hodenhochstand findet sich gleichzeitig ein Leistenbruch. Dies ist durch anatomische
Anomalien (Fehlbildung) zu erklären, die für beide Krankheitsbilder verantwortlich sind.
Wie stellt der Arzt die Diagnose?
Gehen sie zu einem Kinderarzt, Urologen bzw. Kinderurologen, wenn sie einen oder beide Hoden nicht ertasten (auch nicht
beim Baden in warmen Wasser).
Die Lage der Hoden kann vom Arzt/von der Ärztin ertastet werden. Beim liegenden und stehendem Kind (dabei kann die
Mutter assistieren) wird der Hoden beim Leisten-, Gleit- oder Pendelhoden (s.o.) sanft mit der Zeigefingerkante der einen
Hand vom Leistenkanal her nach unten Richtung Hodensack gestrichen und mit der anderen Hand ertastet.
Bei nicht tastbaren Hoden kann mittels Ultraschall (Sonographie), Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie
(MRT), Gefäßkontrastmitteldarstellung (Phlebographie), Hormonstimulationstest (wichtig für die Unterscheidung zwischen
beidseitigem Hodenhochstand und völligem Fehlen der Hoden, sog. Anorchie) oder endoskopischer Bauchhöhlenuntesuchung
(Laparaskopie) die Lage der Hoden herausgefunden werden.
Wie wird der Hodenhochstand behandelt?
Ein Abwarten eines spontanen Herabwanderns der Hoden ist nur während des 1. Lebensjahres zu vertreten. Eine Therapie
sollte spätestens bis zum 2. Lebensjahr durchgeführt werden, um Folgen (s.o.) zu verhindern. Entscheidend für die
Fruchtbarkeit und für die spätere Erkrankungsgefahr ist das Behandlungsalter. So beträgt die Fruchtbarkeit (Fertilität) bei
Therapie bis zum 2. Lebensjahr fast 90% ; bei einem Operationsalter zwischen 3 und 4 Jahren hingegen nur noch knapp 50%!
Daher ist ein rechtzeitiger Therapiebeginn äußerst wichtig.
Im Alter zwischen 3 Monaten und 2 Jahen führt man meist eine Hormontherapie mit HCG (human chorionic gonadotropin)
und/oder GnRH (gonadotropin releasing hormon) durch. Die als Nasenspray verabreichten GnRH-Präparate werden 1-4
Wochen in Dosen bis maximal 1,2 mg pro Tag, gegeben; bei der Kombinationstherapie wird anschließend HCG 3 Mal in
wöchentlichem Abstand gespritzt. Bei alleiniger HCG-Therapie wird dieses 5 Mal in wöchentlichem Abstand gespritzt.
In 65-75% der Fälle hat diese konservative Therapie Erfolg, machmal tritt jedoch ein erneuter Hodenhochstand nach Therapie
auf (in ca. 10% d.F.). Daher sollte nach einem halben Jahr eine Kontrolluntersuchung erfolgen und bis zur Pubertät ein Mal im
Jahr die Lage der Hoden kontrolliert werden.
Ein kleiner operativer Eingriff (sog. Funikulolyse) sollte bei Versagen der Hormontherapie, Hodenektopie und gleichzeitigem
Bestehen eines Leistenbruches möglichst bald durchgeführt werden. Dabei wird der Hoden freigelegt, Samenstrang und Gefäße
vom Bindegewebe gelöst und schließlich der Hoden am tiefsten Punkt des Hodensackes -meist durch eine Naht an der
Skrotalhaut- fixiert (sog. Orchidopexie).
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